MM-Autoren

»Man ist immer unterwegs, immer in Bewegung ...«
5 Fragen an Dietrich Höllhuber

Leser und Autoren stehen seit jeher in einer Wechselwirkung. Bei unserer neuen Reihe können unsere Leser ihren (Lieblings-)Autoren Fragen stellen. Der Dritte im Bunde (nach Marcus X. Schmid und Ralf Nestmeyer) ist Dietrich Höllhuber, Verfasser von über 30 Reisebüchern, 4 davon im Michael Müller Verlag. Unlängst erschien sein taufrischer MM-City-Guide »Dresden« (1. Auflage 2008); das Standardwerk zur Doppelinsel »Neuseeland« (1. Auflage 2007) kam letztes Jahr in die Buchhandlungen. Im aktuellen Interview verrät der Reiseprofi, wie viele Veröffentlichungen im Jahr realistisch sind, weshalb er seine Touren gerne mit dem Fahrrad macht, wie schwierig es ist, echte Freundschaften zu pflegen – und hält, wie ein anderer Bestseller-Autor vor ihm, ein kleines Lob auf die Disziplin.


1. Herr Höllhuber, Sie haben 30 Reisebücher geschrieben. Direkt gefragt: Wie schaffen Sie das? Wie viele Bücher schreiben Sie denn pro Jahr?

In den letzten Jahren waren es meist zwei, ein größerer Regionalführer wie Neuseeland und ein kleineres Buch wie etwa ein Wanderführer. Das funktioniert aber nur in Regionen und Städten, die ich wirklich sehr gut kenne, wie in Nordspanien und auf den Balearen, in Norditalien, Kroatien und Montenegro, in Neuseeland und zuletzt auch in Dresden. Dabei entsteht ein Buch wie der Neuseelandführer aus dem Michael Müller Verlag natürlich nicht innerhalb eines Jahres: dafür war ich (nachdem ich das Land vorher mindestens zehnmal besucht hatte) fast ein halbes Jahr auf zwei Jahre verteilt unterwegs, wobei ich einen Großteil des Textes an Ort und Stelle geschrieben habe.


2. Wie ich höre, unternehmen Sie Ihre Recherchen ausschließlich mit dem Fahrrad. Wie kam es dazu und wie viele Kilometer absolvieren Sie eigentlich täglich?

Ich bin kein Autofahrer, aber dafür ein begeisterter Fahrradfahrer: Mit dem Fahrrad komme ich näher an die Landschaften heran, treffe viel mehr Menschen; ich bin nicht wie ein Autofahrer von meiner Umwelt abgeschottet, sondern im Gegenteil mittendrin – was bei Schlechtwetter oft sehr fühlbar wird (von verschneiten nordspanischen Fahrwegen kann ich ein Lied singen). So richtig habe ich erst vor sieben Jahren begonnen, ausschließlich das Fahrrad als Recherche-Vehikel zu benutzen. Damals nahm ich es das erste Mal nach Neuseeland mit und umrundete die Südinsel. Ich war begeistert, hingerissen. Seither sattele ich, wo ich kann, das Fahrrad, zuletzt in der Tramuntana Mallorcas – mit schwerem Gepäck kein Zuckerschlecken. Ich fahre übrigens wegen des Gepäcks (muss ja alles dabei sein für Nächtigung, Verpflegung, Radeln und Wandern oder Bergsteigen) mit einem leichten aber relativ langsamen Trekkingbike, das ich aber sowohl auf Asphalt als auch für Mountainbiketracks einsetzen kann. Tagesleistung je nach Schwierigkeit zwischen 60 km und 120 km, dann darf aber keine Recherche dabei sein.


3. Sie sind ein professioneller Buchautor, d. h. Sie können von Ihren Tantiemen leben. Würden Sie anderen diesen Berauf auch empfehlen?

Wer, wie ich, acht von zwölf Monaten auf (Fahrrad-)Achse sein, die Länge des Arbeitstages nach den Notwendigkeiten richten will, also während der Recherchen vom Frühstück bis zum Drink nach dem Abendessen und während der Schreibphase täglich mindestens zehn Stunden arbeiten mag – selbstverständlich auch am Wochenende und ohne Urlaubsanspruch –, der wird diesen Beruf sicher schätzen. Wer Sicherheit, feste Arbeitszeiten, ein Privatleben haben will, sollte lieber gar nicht damit liebäugeln. Was nicht heißen soll, dass ich mit meiner Berufswahl unzufrieden bin, im Gegenteil: Ich kann mir kaum einen Job vorstellen, der mehr neue Eindrücke, Erlebnisse, oft auch Abenteuer mit sich bringt als meiner. Und das ist, wofür ich lebe und wovon ich – zumindest auszugsweise – in meinen Reiseführern berichten will.


4. Reisebücher sind zu einem großen Teil auch Recherche-Bücher. Dennoch nachgefragt: Gab oder gibt es auch Schreibkrisen?

Nein, kenne ich nicht. Ich nehme mir vor, ein Buch in einem bestimmten Zeitrahmen zu recherchieren und dann zu schreiben – und daran halte ich mich. Ich glaube nicht an Inspiration, aber an Arbeitsdisziplin. Klar, das Timing geht manchmal nicht auf, aber das liegt nicht an einer Schreibkrise, sondern etwa daran, dass ich einen Stoff nicht exakt im voraus einschätzen konnte, was zu Verzögerungen führt. Aber wenn ich mich morgens an den Laptop setze, um zu schreiben, dann schreibe ich.


5. Der Zeitplan während einer Überarbeitung ist eng gesteckt. Lernt man während eines Trips eigentlich auch Menschen kennen, die echte Freunde werden?

Gerade die Zeit für Überarbeitungen und Recherchen von Neuauflagen ist oft eng bemessen, und ich komme gelegentlich nicht umhin, mich mitsamt Fahrrad und Gepäck im Zug transportieren zu lassen. Die knappe Zeit hindert mich jedoch nicht, immer wieder Menschen zu treffen, mit denen ich in Kontakt bleibe, wie meine Freunde aus dem Vorarlberger Örtchen Braz, die ich in Nordspanien kennen gelernt habe, wie Freunde in Wellington und Nelson, wie Ankica in Split und wie eine Freundschaft, die bei den Recherchen zu meinem allerersten Buch entstand, einem seit langem vergriffenen Führer über die Insel Karpathos. Ich wünschte mir jedoch, diese Freundschaften zu vertiefen, mehr Zeit dafür aufwenden zu können, was aber an der räumlichen Entfernung und meinem knappen Zeitbudget scheitert. Manche Menschen, die Freunde hätten werden können, driften so wieder aus dem Kontaktfeld, der norwegische Seemann auf dem Jakobsweg, der »Biciclown« aus Oviedo, das Mädchen aus Auckland auf dem Mavora Lakes Track … das gehört zum Berufsbild, man ist immer unterwegs, immer in Bewegung, nur wenig steht fest, auch nicht die Menschen, die für den Reisenden von Bedeutung sind.

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