Reportage

Ruch, Ruf und Ruhm eines legendären Stadtviertels.
Über den Versuch einer Entkriminalisierung von Amsterdams Rotlichtviertel De Wallen

Obwohl Amsterdam gerade einmal knapp 750.000 Einwohner hat, ist es für viele Reisende eine Weltstadt. Jugendliche fahren zum Kiffen und Sprayen hin, Individualtouristen bewundern die Grachten und Kunstwerke, z. B. die Bilder eines van Gogh oder Rembrandt, und nicht wenige besuchen das legendäre Rotlichtviertel De Wallen. Annette Krus-Bonazza, die ihr Reisebuch »Amsterdam MM-City« (3. Auflage 2008) gerade in der niederländischen Hauptstadt aufgefrischt hat, ist den Maßnahmen für ein »sauberes« Rotlichtviertel auf den Grund gegangen und fragt sich, ob wirklich alles schöner und sicherer geworden ist …


Die Nachricht, dass die Stadt Amsterdam im Herbst letzten Jahres dem größten lokalen Sexunternehmer und »Pornokönig« Charles Geerts 18 Häuser abkaufte, um die darin betriebenen 51 Bordellfenster zu schließen, verbreitete sich in der internationalen Presse wie ein Lauffeuer. Sie erschütterte nicht nur Zuhälter, Prostituierte und potenzielle Freier, sondern interessiert(e) vermutlich auch Touristen aus aller Welt.

Der österreichischen Tageszeitung »Die Presse« zufolge, reisen nämlich nicht weniger als zwei Drittel aller Amsterdam-Urlauber wegen der Besichtigung des berühmt-berüchtigten historischen Rotlichtviertels De Wallen in die Grachtenmetropole. Allerdings nehmen die wenigsten von ihnen die Dienste der dort beschäftigten Sexarbeiterinnen in Anspruch. Sie wollen lediglich die besondere, gebietsweise vom Duft von Hasch und Marihuana geschwängerte Atmosphäre schnuppern.


Keine Eindämmung der Kriminalität trotz Anerkennung des Berufsstandes

Ganz überraschend kam die kommunale Initiative, mit der Bürgermeister Job Cohen den Handel mit asiatischen, afrikanischen und osteuropäischen Frauen und den Missbrauch von Bordellen als Geldwaschanlagen Einhalt gebieten will, freilich nicht. Bereits seit 2004 steht die Entkriminalisierung von De Wallen auf dem Amsterdamer Stadtentwicklungsprogramm, zumal die Anerkennung des Berufes der Prostituierten und die Legalisierung des Betriebs von Bordellen anno 2000 nicht den gewünschten Effekt hinsichtlich der Eindämmung besagter krimineller Machenschaften zeitigte.

Im Rotlichtviertel De Wallen konzentrieren sich auf engstem städtischen Raum 39 Coffeeshops, 19 Fastfoodrestaurants, 23 Eetcafes, 69 Restaurants, ein Dutzend Hostels und Hotels, 360 Bordellfenster, 27 Sextheater und -kinos sowie die Wohnungen von immerhin 300 »braven« Amsterdamer Bürgern. Weil die in dieser Form einzigartige Kombination aus Wohnen, Arbeiten, Gastronomie, Prostitution und Tourismus per se kriminalitätsanfällig, die Bausubstanz von Häusern, Straßen, Brücken in die Jahre und hier und da heruntergekommen ist, sah die Gemeinde Amsterdam erhöhten Handlungsbedarf. Deshalb hat sie unlängst ein ganzes Bündel von Stadtentwicklungsmaßnahmen geschnürt, um die Lebensqualität von Bewohnern und Besuchern zu verbessern.


Verschlechterung der Lage durch Sicherheitsplan der Regierung

Damit De Wallen künftig schöner, sauberer und v. a. sicherer sind, wurden und werden in vielen dunklen Ecken Straßenlaternen und Überwachungskameras installiert, Prostituierte und Wirte, mutmaßliche Dealer und anderweitig Delinquente von Polizisten, Quartiersmanagern (straatmanagers) und Reinigungspolitie, eine spezielle Einheit, die zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs sind, kontrolliert. Es wurden und werden Grachtenuferstraßen verbreitert und Rohre verlegt, bauällige historische Häuser abgerissen oder modernisiert, und der Autoverkehr in der Rotlicht-Rush-Hour zwischen 20 Uhr abends und sieben Uhr morgens ist inzwischen gebietsweise aus dem sündigen Stadtviertel verbannt.

Viele dieser Aktivitäten wurden bereits 2004 eingeleitet, einige sind schon abgeschlossen. Die jüngste und umfassendste Offensive firmiert unter Veiligheidsplan Centrum 2007-2010 (Sicherheitsplan) und löst vor Ort nicht nur Begeisterung aus. Gerade die eingangs erwähnte Schließung der Bordellfenster, die wohl ohne Absprache mit den Bewohner(innen) vonstatten ging, hat nach fachkundiger Einschätzung der Prostituiertengewerkschaft »De Roode Draad« das Problem der Beschäftigung und Ausbeutung illegal eingeschleuster Ausländerinnen eher verschärft. Außerdem fürchtet so mancher unbescholtene Gastronom, Ho(s)telier oder »Coffeeshopper«, dass mit dem Ruch auch Ruf und Ruhm des legendären Stadtteils verloren gehen.

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