Reportage

Das "Grüne Gold" am blauen See

Pünktlich zur Neuauflage des Gardasee-Buches (5. Auflage 2007) haben Eberhard Fohrer, Autor zahlreicher Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag, und Lucie Büchert-Fohrer, Mitglied des deutschen Olivenöl-Panels, einen sehr spannenden, interessanten Artikel über das (italienische) Olivenöl geliefert. So erfahren wir alles Wissenswerte zum »Grünen Gold«: vom Güte-Siegel über die Verkostung, die der eines Weinkenners gleicht, bis zu den wichtigsten Adressen für den Einkauf am See!


Wo stehen die nördlichsten Olivenbäume Europas?

A) In Mittelfranken
B) In Chile
C) Am Gardasee


Wenn Sie mit A geantwortet haben, sind Sie Ihrer Zeit voraus – wer weiß, ob Sie in 50 Jahren vielleicht Recht haben? Mit B haben Sie Probleme in Geografie. Mit der Antwort C lägen Sie richtig – und hätten bei »Wer wird Millionär« 2000 Euro gewonnen. Tatsächlich, wenn man vom kühlen Norden kommend, endlich die Seeregion erreicht, fühlt man sich wie im Garten Eden – und daran haben die Olivenbäume keinen geringen Anteil: Die silbrigen Blätter, die kleinen grünen aromatischen Früchte, der Duft des Südens, dazu das tiefblaue Wasser mit blitzenden Sonnenreflexen zwischen den majestätischen Berghängen. Der Gardasee: das bedeutet eben nicht nur baden, wandern und Wein, sondern auch Öl. Tausende von Urlaubern schaffen alljährlich ganze Hektoliter des Gardasee-Öls nach Hause – und vertrauen darauf, dass ihnen ihr Anbieter schon das richtige und beste Produkt gegeben hat. Doch die Verkäufer rund um den See sind zahlreich, nicht jeder hat nur das Wohlergehen seiner Kunden im Auge, zumal am Gardasee die Laufkundschaft, die nur einmal und dann nie wieder kommt, den Löwenanteil aller Käufer stellt. Wie können Sie also sicher gehen, dass das Öl, das Sie erwerben, einwandfrei ist?


Das Siegel

Zum einen gibt es da das 1997 von der EU verliehene Bezeichnung »Garda DOP« (Denominazione di Origine Protetta = geschützte Ursprungsbezeichnung). Es garantiert, dass die Oliven dieses Öls ausschließlich aus der Gardasee-Region stammen und dass das Öl in dieser Region hergestellt wurde. Es wurde also nicht mit zweifelhaften Oliven gepantscht, die aus »Nirgendwo« stammen und unter unbekannten Bedingungen geerntet und verarbeitet wurden. Um diese Ursprungsbezeichnung zu erhalten, verpflichten sich die Ölproduzenten, zwischen Pflücken und Verarbeitung nicht mehr als fünf Tage verstreichen zu lassen; sie müssen den Säuregehalt des Öls nennen (wichtig für die Qualitätseinstufung!), außerdem melden, wie viele Kilogramm sie produziert haben, und eine Laboranalyse einreichen. Nun ist es aber so, dass wegen der hohen Kosten, die mit dieser Klassifizierung verbunden sind, nicht wenige Hersteller auf das DOP-Siegel verzichten, aber dennoch gutes Öl produzieren. Wie kann ich also feststellen, ob ich gutes Öl vor mir habe, wenn das Siegel fehlt? Da hilft nur eines: ausprobieren!


Die Verkostung

Wie Wein können Sie auch Öl verkosten – und das macht genauso viel Spaß. Grundsätzlich kann Olivenöl chemisch und sensorisch getestet werden. Labore können das Öl chemisch auf 27 Parameter untersuchen, wie z. B. den Gehalt an freien Fettsäuremolekülen. Da sich Olivenöl theoretisch sogar synthetisch produzieren lässt, spielt die sensorische Testung eine viel wichtigere Rolle; denn Geschmack und Aroma lassen sich nicht künstlich herstellen. Zur Methode des Testens gibt es genaue Verordnungen, die von der Dachorganisation »IOOC« (International Olive Oil Council) festgelegt wurden und die von Expertengruppen, den sog. »Panels«, angewandt werden. Die acht bis zwölf Mitglieder eines solchen Panels testen in einem Jahr etwa 3700 Olivenöle aus allen produzierenden Ländern – vom Discountergemisch bis zum prämierten Öl.

Natürlich kann und möchte aber jeder Endverbraucher sein Öl auch selber testen. Experimentieren, schmecken und vergleichen kann schließlich jeder, nicht nur ein Panel! Welches Öl, sprich: welche Geschmacksrichtung, man bevorzugt, muss man selbst herausfinden! Denn die Panels sind »nur« zur Güteklassenbestimmung und Kontrolle da.
Eine Olivenölverkostung ist am Gardasee (und in allen anderen produzierenden Regionen) bei jedem ernstzunehmenden Anbieter möglich. Dabei sollte man jedoch einiges beachten:
Der am häufigsten begangene Fehler besteht darin, ein Stück Brot ein winziges bisschen in Öl zu tunken, dann eifrig darauf herumzukauen und es schließlich herunterzuschlucken. Das Brot hat man damit erfolgreich getestet – vom Öl erhält man so aber nur eine blasse Ahnung. Viel besser ist es, man nimmt das Öl pur, d.h. ohne jegliche Trägersubstanz zu sich. Olivenöl regt die Geschmacksnerven im gesamten Mundraum an, deshalb sollte man diesen vollständig bis zum Rachen benetzen, das Öl etwas im Mund verweilen lassen und dann ausspucken.

Die Profis machen das folgendermaßen: Sie nehmen als Gefäße kleine blaue Gläschen mit einem Glasdeckel, schwenken diese, heben dann den Deckel und riechen erst einmal tief in das Glas hinein. Erst dann nehmen sie einen Schluck Öl, lassen ihn 10 bis 20 Sekunden im Mund verweilen, ziehen noch etwas Luft hinzu, was den Geschmack intensiver werden lässt und spucken ihn dann aus. Das Öl benetzt dabei wirklich den ganzen Mundraum bis zum Rachen. Getestet wird übrigens in der Zeit zwischen 10 und 12 Uhr vormittags, weil da der Geschmack am wahrnehmungsfähigsten ist. Zwischen zwei Ölen wird mit Weißbrot und Apfel neutralisiert. Die Testgläschen sind kobaltblau, damit sich der Tester nicht von der Farbe des Öls beeinflussen lässt, da dieses nichts über die Qualität aussagt: Früh gewonnenes Öl ist etwas grüner, weil die Oliven noch mehr Chlorophyll enthalten, aus der Verarbeitung von reiferen Früchten entsteht die eher goldgelbe Farbe. Die Temperatur des zu testenden Öls sollte im Idealfall 28 °Grad Celsius sein, und es sollten nicht mehr als fünf Öle nacheinander getestet werden.

Worauf soll man nun aber eigentlich bei der Verkostung achten? Wichtig ist, dass das Öl bitter und scharf sein darf! Es gibt beim Olivenöl nur drei Positivattribute, dafür aber eine ganze Reihe von Negativattributen. Die positiven Attribute sind fruchtig, bitter und scharf, wobei die Fruchtigkeit am wichtigsten ist! (Es gibt auch süße Öle, die nur wenig bitter und scharf sind – dass sie trotzdem gut sind, erkennt man an der Fruchtigkeit.) Wenn Sie aber das Gefühl haben, dass das Öl muffig, modrig, ranzig oder erdig riecht bzw. schmeckt, oder wenn es Sie an eingelegte Speisen erinnert oder essigartig riecht, dann müssen Sie das nicht mögen. Dies sind Attribute, die nicht hineingehören. In solchen Fällen sollten Sie sich also noch einmal nach Vergleichsölen umschauen!
Sehr wichtig ist aber auch die Harmonie eines Öls, z. B. wie sich die Fruchtigkeit zur Schärfe und Bitterkeit verhält. Und natürlich gibt es dann noch die vielen Feinheiten, die nicht vom Panel getestet werden, weil es rein subjektive Empfindungen sind, die das Öl aber zu einem so spannenden Produkt machen. Was im Öl geschmeckt und gerochen wird, geht von Tomate über Apfel, Banane und Johannisbeere bis zu Artischocke, frischem grasigen Geruch und vielem mehr.


Einkauf am See

Am Gardasee kann man Olivenöl direkt vom Erzeuger kaufen. Die meisten Anbieter haben ihre Produktionsräume gleich in der Nähe der Verkaufsstellen, so dass man sich leicht einen guten Überblick verschaffen kann.
Da rund um den See verschiedene Olivensorten angebaut werden, ist der Geschmack der Gardasee-Öle z.T. recht verschieden. Generell ist ihre Charakteristik von einer eher milden Fruchtigkeit. Wir haben aber auch schon Öle von stärkerer Intensität bezüglich Fruchtigkeit, Schärfe und Bitterkeit gefunden. Gerade seine Vielfältigkeit macht dieses nördlichste Anbaugebiet so interessant. Bitte probieren Sie und finden Sie »Ihr« Öl!


Hier eine Auswahl von Adressen wo Sie (hoffentlich) gutes Olivenöl erhalten:

Cooperativa Agricola Possidenti Oliveti, Limone, Via Campaldo 10, E-Mail: coopoliveti@libero.it. Ziemlich touristisch eingestellt, großer Verkaufsladen mit einer Fülle von Produkten, von April bis Mitte Okt. Mo-Fr 16-18 Uhr kostenlose Besichtigung der Ölmühle, anschließend Wein- und Grappaprobe.

Oleificio Gargnano, Gargnano, Via Rimembranza 75 (gegenüber der Villa Feltrinelli). Angenehm zurückhaltend und kaum bekannt – ausprobieren! Direktverkauf ab Ölmühle tägl. 9-12, 15-18.30 Uhr.

Manestrini (www.manestrini.it). Die »Azienda Agricola Manestrini« liegt im Valtenesi im Südwesten des Sees. Frau Dr. Nicoletta Manestrini spricht ausgezeichnet Deutsch und kann viel Interessantes über ihr Öl (mit DOP-Klassifizierung) und die Produktion erzählen. Das Öl von Manestrini hat bereits viele Auszeichnungen erhalten. Verkauf in einem kleinen Shop, die Produktionsanlage kann man besichtigen. Auch Vermietung von Apartments.

Consorzio Olivicultori di Malcésine, Via Navene Vecchia 21, www.oliomalcesine.it. Verkaufsstelle für Olivenöl mit DOP-Klassifizierung der örtlichen Genossenschaft.

Cooperativa Uliveti Brenzone, Porto di Brenzone, Via Zanardelli 18, www.coop-uliveti.it. Schön aufgemachter Verkaufsladen der Genossenschaft der Ölbauern von Brenzone direkt an der Gardesana. Gepresst wird nach alter Tradition mit drei Steinpressen, genannt »Le Tre Macine« (Ölmühle in der Via Ca‹ Romana 10).

Oleificio Piccoli Produttori, Castelletto di Brenzone, Via Gardesana, E-Mail: piccolipro@libero.it. Kleine, genossenschaftlich betriebene Ölmühle direkt an der Uferstraße. Mo 9-11.30, Di-Sa 9-12.30, 15-18.30 Uhr, So geschl.

Oleificio Viola, Bardolino, Via Molini 7, www.oleificioviola.com. Auch hier Olivenöl direkt vom Erzeuger, Verkaufstelle mit großem Parkplatz oberhalb von Bardolino (Verlängerung der Via Croce).

Museo dell’Olio, Oleificio Cisano del Garda, Via Peschiera 54, www.museum.it. Der Platzhirsch unter den Ölproduzenten! Das Museum steht südlich von Cisano direkt an der Gardesana. Anhand vieler Exponate und bebilderter Beschreibungen wird die lange Geschichte der Olivenölgewinnung dokumentiert. Im angeschlossenen Laden kann man zahlreiche Kulinaria erstehen, darunter natürlich jede Menge Öl aus eigener Produktion, das teuerste hat eine DOP-Klassifizierung. Mo-Sa 9-12.30, 14.30-19, So 9-12.30 Uhr, Eintritt frei.

Frantoio di Veronesi, Lazise, Via Gardesana 3, www.frantoioveronesi.com. Ölmühle mit Verkaufsladen am nördlichen Ortsausgang. Schon seit 1918 wird hier Olivenöl produziert, gleich neben dem Laden kann man den Kollergang mit schweren Granitsteinen und daneben eine traditionelle Mattenpresse (mit modernen Nylonmatten) betrachten. Ein Film gibt Überblick über Ernte und Produktion. Do-Sa und Mo/Di 9-12.30, 15-19, So 9-12 Uhr, Mi geschl.

POG Cooperativa Produttori, Via Beccherle 361, am Ortseingang von Caprino Veronese, E-Mail: frantoio.pog@libero.it. Die Kooperative produziert Olivenöl aus kontrolliert biologischem Anbau mit DOP-Klassifizierung, das noch dazu preislich günstig ist. Kein Direktverkauf, aber in Läden ist das Öl vor allem im Südosten des Sees erhältlich.

Und hier noch ein letzter Tipp: Wer sich vor Ort intensiver mit der Materie beschäftigen will, kann zur Erntezeit im November das Ostufer bereisen. Dort findet in Brenzone die »Antica Fiera di Santa Caterina« statt, eine Art Olivenölmesse mit Verkostung des neuen Öls (Olio novello), in deren Rahmen auch Führungen durch die Ölmühlen der Region gegeben werden.

Doch nun genug geplaudert – wir wünschen viel Spaß bei Ihrer diesjährigen Ölverkostung am schönsten See Europas!