Reportage

Ein Hafen auf grüner Wiese.
Das UNESCO-Weltkulturerbe Schokland

Ein Artikel von Dirk Sievers. Der Autor unseres Niederlande-Guides (6. Auflage) schreibt in unserem Newsletter über den endlosen Kampf der Niederlande gegen die Gewalten des Meeres. Erst eine teilweise Trockenlegung der Zuiderzee machte die ehemals versunkene Insel Schokland wieder begehbar, die heute in einem mehr als skurrilen Licht erscheint.


Der Besuch der unscheinbaren »Ex-Insel« Schokland, auf der die alten Hafenanlagen, deutlich sichtbar, in eine satt-grüne Umgebung eingebettet sind, ist eindrucksvoll: Weiden und Wiesen soweit das Auge reicht – nur Wasser ist nicht zu finden. Das alte Hafenbecken an der nordöstlichen Flanke Schoklands, das einst etwa 200 kleinen Fischerbooten Schutz vor den Gewalten der heranstürmenden Zuiderzee bot, ist deutlich zu erkennen. Auf der Mole stehend, fällt der Blick quer hinüber auf die brüchige Holzkonstruktion, die die äußere Begrenzung der Anlage bildete. Nur wenige Meter rechts ragen hölzerne Eisbrecher als unerläßlicher Schutz in strengen Wintern empor. Eine faszinierende Szenerie, ein Hafen auf der grünen Wiese.
Schokland, an der nordöstlichen Flanke des heutigen IJsselmeers gelegen, war einst eine kleine Insel inmitten der tosenden Zuiderzee. Sie profitierte im »Goldenen Jahrhundert« stark vom blühenden Handel der Niederlande mit den Kolonialgebieten. Schiffe, die aus der Ferne zurückkehrten, mussten den Inselbewohnern Zoll entrichten – ein lukratives Geschäft, das den Wohlstand der Insel über Jahrzehnte sicherte. Die großen Handelsschiffe, die infolge ihres starken Tiefgangs die flachen Gewässer nicht passieren konnten, luden ihre Waren im hiesigen Hafen auf flachere Lastkähne um, die sie ins nahe Kampen weitertransportierten. Die Anbindung des Amsterdamer Hafens an die Nordsee nahm Schokland später die wirtschaftliche Bedeutung.


Ein steter Kampf gegen das Wasser

Noch im vergangenen Jahrhundert lebten knapp 700 Menschen auf künstlich angelegten Schutzhügeln, sogenannten Warften. Sie verstanden es, das sumpfige Terrain zu entwässern und kultivierbare Landflächen zu gewinnen. Das tägliche Inselleben aber blieb ein steter Kampf gegen das Wasser. Insbesondere im Nordwesten nahm die Inselfläche infolge des durch die Entwässerung absinkenden Landes rapide ab. Die Bevölkerung war wiederholt gezwungen, neue Warften zu beziehen, derweil die alten in den Fluten versanken. Zuletzt blieben nur noch wenige kleine Dörfer an der Ostflanke der Insel. Die Menschen lebten von Ackerbau und Viehzucht, doch ließ der ständige Landverlust im 18. Jahrhundert die einst weiten Roggenfelder dramatisch schrumpfen. Wichtigste Einnahmequelle war fortan die Fischerei, doch schon bald brachten die sinkenden Fangquoten auch die Fischer an den Rand des Ruins. Mitte des vergangenen Jahrhunderts war nur jeder vierte Schokker in der Lage, ohne staatliche Unterstützung auszukommen.
Schokland sank derweil weiter und weiter. Mehr und mehr Häuser wurden überspült. Die Situation spitzte sich dermaßen zu, dass die Behörden 1859 anordneten, die komplette Insel zu evakuieren. Die katholische Kirche wurde abgetragen und im gelderländischen Ommen neu errichtet. Das sich selbst überlassene Land versank indessen weiter im Meer. Erst die Pläne zur teilweisen Trockenlegung der Zuiderzee sorgten zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts für eine neue Ausgangslage. Der Bau des Abschlussdeichs und die folgenden großflächigen Einpolderungen entrissen Schokland 1942 der Umklammerung des Meeres. Was blieb, war ein schmaler, hügeliger Streifen, der sich vom umliegenden Polderland deutlich abhebt.


Schiffe im Gräsermeer und ein Museum zur Aufarbeitung der lokalen Geschichte

Schokland steht seit 1995 auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO. Seither haben die verantwortlichen Stellen ihr Bemühen intensiviert, die lokale Geschichte aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Die alten Hafenanlagen wurden in den vergangenen Jahren sorgsam restauriert. Wer sich dafür interessiert, sollte das Museum Schokland zwischen Nagele und Ens besuchen.
Der Wind streicht unterdessen weiter durch die Gräser im alten Hafenbecken, in dem sich einst die Schiffe auf den seichten Wellen in Sicherheit wiegten. Schokland mahnt als einzigartiges Symbol des endlosen Kampfes der Niederlande gegen die Gewalten des Meeres.


Informationen:

Museum Schokland, Middelbuurt 3, 8307 RS Ens, Tel. 0527/251396.
Öffnungszeiten: Fr-So 11-17 Uhr, April-Oktober auch Di-Do 11-17 Uhr, Juli/August auch Mo 11-17 Uhr. Erwachsene 3,50 €, Kinder 2.75 €, Senioren (Pas65) 2.50 €, MJK.

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