Reportage

Oh wie schön!
Eine Reportage zu einem seltenen Urlaubsziel

Panama – ein Begriff, eine Emotion. Janosch hat mit seinem Kinderbuchklassiker enorm dazu beigetragen, dass der Staat in Mittelamerika zu einem Sehnsuchtsziel wurde. Wie ist es, wenn man dort wirklich unterwegs ist? Unser Ecuador-Autor (5. Auflage 2010) Volker Feser hat sich umgesehen seine Eindrücke kraftvoll eingefangen.


Wieder in Panama City, der Windrose zwischen den Weltmeeren, dem Knoten beider Amerikas im Babel der Blumen und Regenbögen, irgendwo zwischen diskreter hanseatischer Weltoffenheit und modernem Freibeutertum. Es riecht nach roter Erde, frisch gemähtem Rasen, Waschsalon, Dampfbügeleisen und Sex in der Sauna. Unter einer voll aufgedrehten Mikrowellen-Hitzeglocke klebt das atmungsaktive Polohemd wie ein Neoprenanzug am Körper. Nivea-Creme verhindert Hautreiz durch Aufscheuern des Slipbundes im Intimbreich, wichtig bei sonnendurchfluteten Spaziergängen! Nachmittags kommt es oft zu entfesselten Tropenregen, gleich Rumfässern, die sich vom Himmel ausschütten. Dann werden Scheibenwischer zu törichten Ticktacks und aus den Gullydeckeln sprudeln Springfluten, die sich wie die Blechlawinen der Rush Hour in Richtung Pazifik ergießen.

Im Anflug auf Panama City (Foto: Volker Feser)
Im Anflug auf Panama City (Foto: Volker Feser)

Fast die Hälfte der 3,4 Mio. Panameños lebt in der Hauptstadt. Sie lieben Autohupen laut wie Schiffshörner, Klimaanlagen kalt wie Gefriertruhen und frittierte Rinderleber mit Bananenpuffern zum Frühstück. Viele Männer tragen Bäuche so dick wie Treibstofftanks, viele Frauen prickelnd manikürte, aus römischen Fußfesselsandalen herausäugende Zehennägel. Überwältigend sind schon beim Landeanflug die schlanken Silhouetten der Skyline, welche Singapur wohl gerne zum Tigerlein degradieren möchten. Allein acht im Bau befindliche Wolkenkratzer werden bald die 100 Stockwerke überschreiten, einer sogar die 145. Etage erreichen. Neun der zehn höchsten Gebäude Lateinamerikas schießen schon in den Himmel. Von Krise keine Spur, eher von Blase, bei Quadratmeterpreisen bis 4.000 USD.

Ein Platzregen im Anzug (Foto: Volker Feser)
Ein Platzregen im Anzug (Foto: Volker Feser)

Zu den Sehenswürdigkeiten gehören die Miraflores-Schleusen am Kanal (inkl. Museum), die Altstadt des Casco Viejo mit tollem Skyline-Panorama, die Gründerruinen von Panama Viejo oder der 35 m hohe Canopy Kran über den Regenwaldkronen des Parque Metropolitano. Auf seinen markierten Pfaden können über 250 Vogelarten beobachtet werden. Selbst Tigrillos – wilde Tigerkätzchen – streunen umher. Redselige Taxifahrer warnen allerdings vor Giftschlangen! Besuchenswert sind auch der Albrook Mall, einer von Panamas Kommerzpalästen, oder das unscheinbare »Istmo Brew Pub« mit wackligen Holzhockern und naturtrübem Paulaner direkt aus dem kühlen Bayern (Eusebio Morales y Vía Veneto).


Die Lebensader

In der Altstadt von Panama City (Foto: Volker Feser)
In der Altstadt von Panama City (Foto: Volker Feser)

Ein Erlebnis ist die Fahrt über die 50 Jahre alte »Puente de las Américas«, 118 m über den Bugs und Hecks der in Schlange stehenden Schiffe. Panama lebt vom Kanal. Schon im ersten Jahr nach der »Übergabe« um Mitternacht des 31. Dezember 1999 wurde damit mehr Geld in die Staatskassen gespült als in den gesamten 75 Jahren zuvor unter US-Verwaltung. Jedes Frachtschiff bezahlt im Schnitt 90.000 USD für die 82 km lange Durchfahrt, ein Container- oder Kreuzfahrtschiff auch schon mal 300.000 USD. Die Bezahlung erfolgt 48 Stunden im Voraus per Online-Überweisung. Für Weltumsegler ist es um einiges günstiger, ab 500 USD bei nur 15 Fuß Bootslänge. Ein verrückter Gringo durchschwamm 1928 den Kanal. Er bezahlte 36 Cents für seine »Tonnage«. Diese knauserige Form der Kanaldurchquerung wurde inzwischen jedoch strengstens untersagt.

Stadtbus (Foto: Volker Feser)
Stadtbus (Foto: Volker Feser)

Bei der achtstündigen Fahrt durch die zwölf Schleusenkammern beansprucht jedes Schiff etwa 200 Mio. Liter Süßwasser. Täglich passieren 36 bis 42 Schiffe die ozeanische Revue. Mit der Fertigstellung der Kanalerweiterung, für 2014 zum 100-jährigen Jubiläum vorgesehen, soll sich das Frachtaufkommen gar verdoppeln. Das Acht-Milliarden-Projekt entspricht in etwa der Hälfte des Bruttoinlandsproduktes. Bis 2025 soll die Investition wieder eingefahren sein. Vorausgesetzt die Nordpassagen durchs Polarmeer bleiben bis dahin vereist. Sonst würde der Panamakanal vielleicht an Bedeutung verlieren. Die Eisdecke der Arktis ist in den letzten vier Jahren um 25 % geschrumpft. Fortschritte beim Bau arktistauglicher Tanker kommen hinzu. Zwischen Copas und Sushis eines üppigen Events genau über den berühmten Miraflores Locks, auf besondere Einladung des Tourismusministeriums (danke!), erklärte ich einer entzückenden panamesischen Reporterin meine waghalsige Eisbrechertheorie. Ihre rostrote Sturmfrisur zierte eine Haarschleife in der Art eines aufgerollten Schlepptaus in den Farben ihres Landesfähnchens. Sie musterte mich missbilligend, schüttete ihren eisgespickten Cuba Libre wie in ein offenes Schleusentor hinunter und sagte herausfordernd: »Ohne Kanal kein Panama! Das werden Sie doch begreifen, oder?« Schweißtropfen liefen über meine Schläfen. Auf der Terrasse gab es keine Kühlbox. Ich erwiderte entschuldigend, dass ich hoch droben von den Anden komme, dort wo ihre holde Präsenz selbst Gletscher dahinschmelzen lassen würde.


Per Mietauto in die Eisfreiheit

Miraflores Locks (Foto: Volker Feser)
Miraflores Locks (Foto: Volker Feser)

Was die Tippse völlig vergaß: Panama ist weit mehr als ein Kanal! Über die »Brücke der Amerikas« geht es auf der vierspurigen Interamericana (Panamericana) nach Westen ins Landesinnere, dem sogenannten »Interior«. Ein kompakter und gut versicherter Suzuki Jimny 4x4 ist ab 60 USD pro Tag zu haben (z. B. Thrifty Cars oder Dollar Rent). Wegen der Rush Hour lohnt es früh loszufahren. Auch wegen der Hitze. Das Thermometer kann schon nach Sonnenaufgang extrem luftfeuchte Regionen erklettern. Ich kurbelte die Scheibe runter, hing den Ellbogen raus und genoss den Fahrtwind. Auf Omega Stereo 97.5 FM lief Tom Pettys »Running down a dream«. Tipp: Vorsicht vor Radarfallen, da keine Seltenheit!

Nach 99 panamerikanischen Kilometern war mein erster Abstecher der Vulkankessel Valle de Antón, 5 km breit und 600 m über dem Meeresspiegel. Seine Dschungelwände erstrecken sich jedoch auf über 1.000 m Höhe. Kantige Borken (»árbol cuadrado«) und endemische »goldene« Frösche gehören zur Mini-Biosphäre. Auf dem saftig grünen Kratersockel gleitete ich sachte entlang baumbeschatteter Alleen mit Landhäusern hinter nicht minder mondänen Portalen und Bougainvillagärten. Das frühsommerliche Klima ist eine wohltuende Abwechslung. Hier ließe es sich aushalten. Aber nach kurvenreichen 28 km fädelte ich unten wieder auf die »Pana« ein.

Leckereien on the road (Foto: Volker Feser)
Leckereien on the road (Foto: Volker Feser)

Mein Tagesziel war die Halbinsel Azuero. In Divisa (km 216) ist der Abweig in diese südliche Provinz von Los Santos, Herkunft der polleras, der farbenprächtigen Nationaltracht panamesischer Schönheiten. Nach weiteren 115 km ist Pedasí erreicht. Sein Dorfkern punktet mit alten Holzfassaden aus langsamlebigen Tagen. Unter aufgeklappten Strohhüten studieren Anwohner in Schaukelstühlen die Tageszeitung. Sie scheinen nichts außer Zeit zu haben (www.casacampopedasi.com). Von Pedasí sind es 32 km bis zum Playa Venao, dem schwarzen Strand der Surfboards, Tangas und Laptops (www.elsitiohotel.com). Noch aufregender sind die haushohen Wellenbrecher des Playa Cambutal, ein Geheimtipp unter den pazifischen Surfer-Eden, 94 km südwestlich von Pedasí, über eine ziemlich löchrige Straße zu erreichen (www.hotelplayacambutal.net).

260 km westlich von Panama City schlängelt sich von Santiago eine 52 km lange Straße nach Norden ins verschlafene Santa Fé auf 1.000 Höhenmetern (www.panamamountainhouse.com). Das putzige Bergdorf fügt sich harmonisch in die tropisch-alpine Landschaft ein. En masse zu entdecken sind Orchideen-, Vogel- und Schmetterlingsarten – und ein durchsichtiger Kristallfrosch. Wälder, Wildbäche und Wasserfälle laden Naturliebhaber auf verschlungene Pfade ein, z. B. auf den schroffen Cerro Tute, wo die aufgestauten Wolken der Ozeane wie in einem Seeschlachtgemälde dramatisch um den 1.450 m hohen Gipfel driften, zerschossene Takelagen im Wendekreise aufgebäumter Kumulusmassen.

Im Babel der Blumen (Foto: Volker Feser)
Im Babel der Blumen (Foto: Volker Feser)

375 km westlich der Hauptstadt kommt bei San Félix der 14 km lange Pana-Abzweig bis zum Playa Las Lajas. Einsamkeit pur, kaum ein Mensch weit und breit, nur Sonne, Sand und Meeresrauschen. Ganze 22 km misst dieser längste Badestrand Panamas (www.laslajasbeachresort.com, www.finca-buenavista-laslajas.com). Deutsches Bier und Wiener Schnitzel serviert die Mundobar (www.elmundobar.com). Gegenüber Las Lajas befinden sich die Islas Secas mit ihren exquisiten Spots für Taucher, Schnorchler und Millionäre, die dort auf einem privaten Archipel in der Sonne braten. Panama besitzt über 1.600 Inseln vor den Küsten beider Meere.

Vulkan Barú (Foto: Volker Feser)
Vulkan Barú (Foto: Volker Feser)

524 km westlich von Panama City bzw. 38 km nördlich von David liegt Boquete inmitten der schönen Provinz Chiriquí, dem »Brotkorb« des Landes. Hier wächst fast alles was man in die Erde steckt, vor allem aber rote Zwiebeln, die sich sackweise am Straßenrand stapeln. Der subtropische Erholungsort (www.hotel-ladera.com) ist Topziel für Rentner aus den USA, Kanada und Europa, die sich hier den Herbst ihres Lebens versüßen. Im Städtchen gibt es zahlreiche Hotels und die bergige Umgebung ist mit schmucken Ferienvillen gespickt, so z. B. in Volcancito. Es tummeln sich auch Backpacker, sonst eher ein seltener Anblick. Zu den Highlights zählen das milde Klima von 800 bis 2.400 Höhenmetern, die Blütenpracht allerorts, der beste Kaffee des Landes und der populäre Quetzal-Trail am Rande des zu Costa Rica grenzüberschreitenden Parque Amistad. Er ist einer von 40 Nationalparks, welche ein Viertel der Landesfläche einnehmen. Vom Kraterrand des 3.475 m hohen Vulkan Barú ist sowohl der Pazifik als auch die Karibik zu sehen. Kurz nach Mitternacht machte ich mich auf den Weg. Der zähe Auf- und Abstieg dauerte 13 Stunden. Oben am Ziel empfingen mich frostige Windböen. Ich kramte im Rucksack erstmals nach der Goretex-Jacke und dachte an mein Plüschsofa zuhause. Mir zu Füßen lag das Land meiner Träume.


Den Tiger im Tank und eine 50-Dollar-Ananas

Panama, oh wie schön! (Foto: Volker Feser)
Panama, oh wie schön! (Foto: Volker Feser)

Alles Schöne geht mal zu Ende. Von Boquete lagen acht Stunden Rückfahrt vor mir. Als der Tacho gerade 2.222 abgefahrene Kilometer anzeigte, sah ich den silberglänzenden Kühler im Rückspiegel heranpreschen. Da klebte der Trailer auch schon an meinen Fersen. Seine monströsen Scheinwerfer blendeten auf und ein gellendes Horn erschütterte meine »Holzente auf Rädern«. Ich trat aufs Gaspedal. Der Jimny schoss mit 130 km/h auf eine Anhöhe und tappte potzblitz in eine auf mich gerichtete Radarpistole, welche ich in der Eile erst mit einem Haarföhn verwechselte. Damit wild in der Luft herumfuchtelnd, wies mich der uniformierte »Haarföhnverkäufer« zum Halten an. In seinem pockennarbigen Ananasgesicht glänzte eine überdimensionale Spiegelglasbrille, weit größer als sein Hirn, aber winzig im Vergleich zu seiner Gier. Hätte glatt ein Neffe Noriegas sein können, des einstigen Machthabers und Chefs der Nationalgarde, seit 1992 Zellennachbar des kolumbianischen Drogenbosses Carlos Lehder. Sein verbeulter Blaulicht-Blazer parkte am Straßenrand. Die vorderen Radkästen waren fast durchgerostet, die Heckscheibe gesplittert. Vermutlich von einem Stein. Wobei herumfliegende Steine eher Frontscheiben beschädigen. Vielleicht wurde ihm einer hinterhergeworfen … Von aufgebrachten Dorfbewohnern? Einem Seitenfenster fehlte die Scheibe. Es war mit Folie und Tesa abgedeckt. Von der Rückbank war nur eine zerschlissene Lehne vorhanden. An ihrer Stelle lagen verstreut Werkzeuge, Kabelstränge und platt getretene Plastiktüten. Auf dem Beifahrersitz stand aufrecht eine riesige Bananenstaude. Es roch nach roter Erde. Ein Platzregen war im Anzug. In seinen Spiegelgläsern entdeckte ich die Panamericana in Fischaugenoptik. »Hast du das Schild nicht gesehen?« »Welches Schild?« »Geschwindigkeitsbegrenzung im Ortsbereich!« »Welcher Ort?« In diesem Moment preschte der metallene Truck vorbei und ließ nochmals sein Horn erdröhnen. »Ich wurde von diesem Trailer verfolgt. Er wollte mich von der Straße schubsen.« Der Beamte steckte sich einen Finger ins Ohr: »Was hast du gesagt?« »Genau dieser Trailer versuchte mich zu ermorden!« »Deinen Führerschein muss ich leider trotzdem einziehen. Du bekommst ihn morgen auf dem Revier zurück.« »Ich würde die Strafe lieber gleich hier vor Ort bezahlen.« »Dann kann ich aber keine Quittung ausstellen.« Entspannt grinsend ließen wir unsere Goldzähne aufblitzen. »Macht 50 Dollar!«


Eine Arie in Blau

Pure Lebensfreude in Panama (Foto: Volker Feser)
Pure Lebensfreude in Panama (Foto: Volker Feser)

Nach Abgabe der geliehenen »Holzente« stieg ich in Panama City in ein Sportflugzeug (flyairpanama.com oder aeroperlas.com). Die Zeit war reif für »Endstation Hängematte« auf dem Miniatur-Eiland Kuanidup, eine von 300 Inselchen im exotischen San Blas Archipel, dem Budget-Paradies der Karibik. Zwischen Palmstauden hin- und herschaukelnd, verfolgte ich die sich aus dem symphonieblauen Aqua herauskatapultierenden Fliegenden Fische. In ihren Schuppen brachen sich die gleißenden Strahlen der Nachmittagsonne. Danach schwamm ich rüber zur andern, zur unbewohnten Palminsel. Dort ging ich auf Muschelsuche. Oder schnorchelte mit Zierfischen am Ufer. Später lauschte ich dem Klang zergehender Eiswürfel in meinem Sundowner. Doch davon und noch viel mehr muss ich leider ein andermal berichten.


Weiterführende Informationen:

Panama ist von Ecuador aus leicht mit der panamesischen COPA (www.copaair.com) zu erreichen; täglich starten je zwei Flieger von Quito und Guayaquil. Auch die ecuadorianische TAME (www.tame.com.ec) startet je dreimal wöchentlich von beiden Städten. Flugzeit: 1 h 45 min – so schnell wie auf die Galápagos Inseln! Wer den Autor dieser Reportage gerne als Pilot-Reiseleiter engagieren möchte, melde sich bitte bei www.salsareisen.com.

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