Reportage

Einkaufsparadiese unter freiem Himmel

Ein Marktbummel mit Ralf Nestmeyer, dem Autor unserer komplett überarbeiteten Neuauflage des Erfolgstitels »Paris«.


Von Wochenmärkten mit ökologisch wertvollen Produkten über Flohmärkte mit bibliophilen Leckerbissen bis hin zu einem sonntäglichen Vogelmarkt, ist Paris eine Stadt der Märkte. Begleiten Sie Ralf Nestmeyer, dem Autor unserer komplett überarbeiteten Neuauflage des gleichnamigen Erfolgstitels, auf seinem Spaziergang durch die zahlreichen Einkaufsparadiesen der Weltstadt, »deren Atmosphäre so vielfältig ist wie die der einzelnen Stadtteile«!

Der berühmteste Pariser Markt ist unwiederbringlich verschwunden, der Abrissbirne und der mangelnden Sensibilität der Politiker zum Opfer gefallen. Noch heute vermissen die Pariser schmerzlich ihre Hallen, den viel besungenen »Bauch von Paris«. In den sechziger Jahren wurde der größte Großmarkt der Welt samt seiner filigranen Metallzelte zerstört und durch das gesichtslose Einkaufszentrum »Forum des Halles« ersetzt. Doch glücklicherweise gibt es in den 20 Pariser Arrondissements immer noch zahlreiche Märkte, die mit ihren bunten Facetten zum Einkaufsbummel verführen. So viele lebendige Treffpunkte sind nicht verwunderlich für eine Stadt, deren Markttradition bis in das 5. Jahrhundert zurückreicht, als die Bauern der Umgebung ihr Gemüse auf der Ile de la Cité feilboten.

Die meisten Märkte sind Einkaufsparadiese unter freiem Himmel und werden zwei- oder dreimal pro Woche abgehalten. Bereits in den frühen Morgenstunden bauen die Verkäufer ihre Stände auf, entrollen die gestreiften Markisen und beginnen ihre frischen Waren auf den Verkaufstischen ansprechend zu dekorieren: Salate, Kräuter und Gemüse werden zu bunten Kaskaden aufgebaut. Noch bevor sich der erste Kunde nähert, stapeln sich leere Kisten und Pappkartons im Rinnstein …

Die Franzosen legen Wert auf frische regionale Produkte, so werden Obst und Gemüse nach wie vor saisonal angeboten. Man darf sich also im Sommer auf die sonnengereiften Cavaillon-Melonen und Erdbeeren aus dem Périgord freuen und im Herbst und Winter auf dicke Artischocken aus der Bretagne, Quitten aus der Normandie und Trüffeln aus dem Dordognetal. Die Gemüse- und Obsthändler sind das Herz jeden Marktes; hinzu kommen die Käse-, Geflügel- und Fischstände. Ein wahres Fest für die Sinne – Wachteln, Bresse-Hühner und anderes frisch ausgenommenes Geflügel sind neben fangfrischen Dorschen, Seebarben und Körben voll Austern zu sehen. Am benachbarten Käsestand werden Spezialitäten aus allen französischen Regionen offeriert: Camembert, Pont l’Évêque, Reblochon, Banon und diverse Arten von Rohmilchkäse. Wer eine Auswahl unter den angeblich 365 Käsesorten Frankreichs treffen will, hat – selbst bei weniger großer Anzahl – die Qual der Wahl.

Typische Stadtteilmärkte sind der Sonntagsmarkt auf dem Boulevard Richard Lenoir oder der Markt auf der Place d’Aligre im 11. Arrondissement, wo sich Paris von seiner multikulturellen Seite zeigt. Auch auf dem Marché de Belleville feilschen Marokkaner, Tunesier und Chinesen lautstark um ihre Waren. Der Marché Maubert gehört zusammen mit dem Marché Saint Charles zu den wenigen authentischen Straßenmärkten am linken Ufer der Seine, während der Markt in der Rue Mouffetard längst fest in der Hand der Touristen ist.

Der Marché Biologique de Raspail (Boulevard Raspail zwischen Rue du Cherche Midi & Rue des Rennes) und der Marché Biologique Batignolles (Boulevard Batignolles) sind eine wichtige Adresse für all diejenigen, denen eine ökologisch wertvolle Ernährung wichtig ist. Neben der üblichen Produktpalette findet man ein breites Angebot an Brotsorten, aber auch Eier von freilaufenden Hühnern und Biofleisch haben in den Zeiten von BSE und anderen Tierkrankheiten Hochkonjunktur. Zu den lebendigsten kleinen Marktstraßen, den sogenannten »rue commerçantes«, gehören die Rue Lepic auf dem Montmartre und die Rue Daguerre am Montparnasse.

Über die größte Besucherzahl freuen sich aber immer noch die am Wochenende abgehaltenen Flohmärkte. Zu Zehntausenden strömen die Schnäppchenjäger am Samstag und Sonntag auf den Marché aux Puces de St. Ouen (75018, Métro Porte de Clignancourt) oder auf den Marché aux Puces de Montreuil (75020, Métro Porte de Montreuil); im Vergleich dazu kann der Marché aux Puces de la Porte de Vanves (75014, Métro Porte de Vanves) noch als Geheimtipp bezeichnet werden. Bibliophile stöbern auf dem nahen Marché du Livre Ancien et d’Occasion im Parc Georges Brassens nach literarischen Raritäten.

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