Top Ten

Teil 7: Rumänien
oder Die Allmacht eines wahnsinnigen Diktators

Wussten Sie, dass knapp ein Drittel des weltweiten Bestandes an Pelikanen in, genau, Rumänien lebt? Man Bärenbeobachtungen unternehmen kann, über stillgelegte Salzwerke staunt und das zweitgrößte Verwaltungsgebäude des Planeten in Bukarest steht? Und kennen Sie eigentlich den Pappmaché-Mond über Hermannstadt? Nein, dann wird es Zeit für die zweite Top Ten unseres Newsletters. Diana Stănescu entführt Sie in ihr Heimatland, zu zehn guten Gründen, weshalb sich eine Reise nach Rumänien wirklich lohnt.


Rumänien – Diana Stănescus Top Ten

Erlebnis: Die Pelikankolonien im Donaudelta

Im Donaudelta lebt knapp ein Drittel der weltweiten Pelikanpopulation (Foto: Diana Stănescu)
Im Donaudelta lebt knapp ein Drittel der weltweiten Pelikanpopulation (Foto: Diana Stănescu)

Der Bootsführer schaltet den Motor aus und paddelt langsam weiter. Das Boot gleitet lautlos durch Seerosenteppiche, vorbei an Inseln aus raschelndem Schilf. Und dann sind sie da: Pelikane! Eine ganze Kolonie, mehrere Dutzend der majestätischen Riesenvögel. Sie reihen sich artig zum Abflug auf, und nachdem die ersten losgeflogen sind, stellen sich die nächsten an und heben ab. Ungelenk schrauben sich die großen Körper hoch, doch dann gehen sie zum sanften Gleitflug über. Ihre Flügelspannweite kann 3 Meter überschreiten! Gut 7.000 Rosapelikane und 700 Krauskopfpelikane leben im Donaudelta – das sind über 30 Prozent des weltweiten Bestands. Auch für Hunderte anderer Vogelarten ist das Delta eine Arche Noah: Seidenreiher, Silberreiher, Purpur- und Graureiher, Löffler, Kormorane.
Doch diese einzigartige Landschaft, die zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört, wandelt sich. Immer neue Hotels mit allem Komfort entstehen: Pool, Klimaanlage, Flachbild-TV. Sie verdrängen die Reetdachhäuser und Schilfzäune zunehmend. Wer also den Charme der Dörfer, die nur vom Wasser aus erreichbar sind, noch erleben will, sollte bald hin …
Info: Solche Bootstouren bieten die meisten Pensionen an – oder spezialisierte Naturreisen-Veranstalter wie z. B. Tioc Reisen (www.tioc-reisen.ro). Beste Reisezeit: Anfang Mai bis Ende September. Preisbeispiel (die Preise variieren je nach Anbieter und Art der Boote stark): 15 € pro Stunde und Boot (für 5 Personen).


Kunstgenuss und Dorfidylle: Die Klöster der Bucovina

Wie von bunten Bilderteppichen überzogen, eines der Welterbe-Klöster in der Bucovina (Foto: Diana Stănescu)
Wie von bunten Bilderteppichen überzogen, eines der Welterbe-Klöster in der Bucovina (Foto: Diana Stănescu)

Leuchtende Juwelen in grüner Landschaft: Acht Klöster in der Bucovina zählen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ausdrucksstarke Malereien überziehen wie bunte Bilderteppiche die Außen- und Innenwände der zierlichen Klosterkirchen aus dem 15./16. Jahrhundert. Die Klöster Voroneț, Humor, Moldovița undSucevița sind die schönsten, was Farbgebung, Leuchtkraft und Motive angeht.
Auch sonst lohnt die Reise in die Bucovina im Nordosten Rumäniens: Postkartenidylle ist angesagt! Sanfte Hügellandschaften, unterbrochen von duftenden Heuschobern, die Akzente auf gründen Wiesen setzen. Abends werden die Kühe ins Dorf getrieben, und Oma und Opa lassen den Tag auf ihrem Holzbänkchen vor dem Haus ausklingen. In den Dörfern ist die traditionelle Architektur noch vielfach erhalten. Und in vielen gepflegten Pensionen gibt’s Milch und Käse vom Bauern nebenan.
Info: Die Klöster liegen maximal 1 Autostunde voneinander entfernt und sind täglich ganztags geöffnet. Eintritt: 5 RON (rund 1 €).


Führung: Der Parlamentspalast in Bukarest

Das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt – nach dem Pentagon (Foto: Diana Stănescu)
Das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt – nach dem Pentagon (Foto: Diana Stănescu)

In Bukarest steht das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt nach dem Pentagon. Der weiße Koloss thront auf einem Hügel im Zentrum der Stadt. Der gestürzte Diktator Nicolae Ceaușescu ließ den Palast ab 1984 errichten. Die Fertigstellung erlebte Ceaușescu nicht mehr – die Revolution war schneller.
1.100 Räume, 65.000 m² Grundfläche, 330.000 m² Bruttogeschossfläche: Diesen Dimensionen kann man sich als Besucher kaum entziehen. Bei Führungen erleben Touristen aus aller Welt die ungenierte Prachtentfaltung des einstigen Präsidentenpaares: Marmor, Kristall, Brokat. 3 Tonnen wiegt der größte Kronleuchter, 14 Tonnen der größte Teppich. Die Allmacht eines Wahnsinnigen und die Hilflosigkeit des Volkes – all das spiegelt sich in diesem schaurig-schönen Gebäude wider.
Heute beherbergt es beide Parlamentskammern, ein Kongresszentrum und ein Kunstmuseum. Und weil immer noch Platz übrig ist, füllen auch Fachmessen, Bälle und Modeshows die vielen Säle. Wenn Ceaușescu das wüsste!
Info: www.cic.cdep.ro, Führungen täglich 10-16 Uhr. Die Führung sollte man am Vortag telefonisch reservieren (+40/(0)21/3113611), dann erfährt man, um wie viel Uhr am Folgetag noch Plätze für Führungen in welcher Sprache frei sind. Führungen je nach Dauer ab 25 RON (rund 5,50 €).


Übernachten: Das Boutique Hotel Scala

Wer denkt, die Hotellerie in Rumänien hinke »dem Westen« hinterher, irrt gewaltig. Unzählige Häuser mit Flair sind entstanden, von städtischen Grandhotels in prächtigen Altbauten bis hin zu liebevoll eingerichteten Landpensionen. Oft zu Preisen, von denen man andernorts nur träumen kann.
Eines dieser Schmuckstücke ist das kleine Boutique Hotel Scala in der Hauptstadt. Die restaurierte Villa wurde 1920 im neorumänischen Stil erbaut – für den Leibarzt der königlichen Familie, Ion Moscu.
Eine schwere schmiedeeiserne Tür führt ins Innere des gepflegten Hauses. In den Zimmern erwarten den Gast Antiquitäten und schwere Vorhänge mit theatralischem Faltenwurf. Über schönes Originalparkett schreitet man ins Bad aus Marmor. Ein feines Frühstücksbuffet rundet den Aufenthalt ab. Die Stadtvilla liegt im Zentrum von Bukarest, einen Steinwurf von Athenäum und Königspalast entfernt.
Info: Doppelzimmer mit Frühstück ab 75 Euro, www.hotelscalabucuresti.ro.


Seltener Kirchenschatz: Die Orientteppiche in Siebenbürgen

In Siebenbürgen schlummert ein wenig beachteter Schatz: die größte Sammlung alter Orientteppiche außerhalb des Topkapi-Palastes in Istanbul! Die rund 380 Teppiche stammen aus dem 15. bis 18. Jahrhundert.
Wie sie nach Siebenbürgen kamen? Über die weitverzweigten Handelsbeziehungen der siebenbürgischen Kaufleute, die bis in den Orient reichten. Die Teppiche dienten als Geschenke zu besonderen Anlässen (Hochzeit, Geburt) und schmückten Privatwohnungen, Rathäuser und Kirchen.
Heute können Touristen die gut erhaltenen Kostbarkeiten an den Wänden und Emporen evangelischer Kirchen bewundern. Am bekanntesten ist die große Sammlung der Schwarzen Kirche von Brașov (Kronstadt) mit über 100 Teppichen. Auch die evangelischen Gotteshäuser der Städtchen Sighișoara (Schäßburg) undMediaș (Mediasch) sowie manche Kirchenburgen präsentieren in ihren Innenräumen die wertvollen Stücke. Eine schöne Sammlung dieser so genannten »osmanischen Kirchenteppiche« zeigt das Brukenthal-Museum in Sibiu (Hermannstadt).
Info: www.brukenthalmuseum.ro, Di-So 10-18 Uhr, Eintritt 20 RON (rund 4,50 €). www.honterusgemeinde.ro.

Serpentinengleich durch die schönsten Bergpanoramen der Karpaten (Foto: Diana Stănescu)
Serpentinengleich durch die schönsten Bergpanoramen der Karpaten (Foto: Diana Stănescu)


Aktivität: Die Transfogarascher Hochstraße in den Karpaten

Vor allem für Motorradfahrer ein Muss: Die 151 Kilometer lange Transfăgărășan (Transfogarascher Hochstraße) windet sich serpentinenreich durch die Karpaten. Bis auf 2.042 Meter schraubt sie sich hoch – und bietet dabei schönste Bergpanoramen. Geöffnet ist die Strecke, je nach Schnee- und Wetterlage, nur wenige Monate im Sommer.


Essen & Trinken: Bärenbraten

Bis zu 6.500 Braunbären bevölkern die rumänischen Wälder (Foto: Diana Stănescu)
Bis zu 6.500 Braunbären bevölkern die rumänischen Wälder (Foto: Diana Stănescu)

Rumänien ist das Land mit den meisten Bären in Europa: 5.500 bis 6.500 Braunbären bevölkern die dichten Wälder. So kommt es, dass Urlauber ihnen auf vielfältige Weise begegnen können: Von Hochsitzen aus kann man sie aus sicherer Entfernung im Wald bewundern, kleine Veranstalter bieten Bärenbeobachtungen an. Und in einem idyllischen Waldreservat in Siebenbürgen bekommen »ausgediente« Zoo-, Zirkus- und Tanzbären ihr Gnadenbrot.
Fleischesser kommen auch kulinarisch auf ihre Kosten: »Wir haben heute Braten vom Reh, Wildschwein und Bär.« Mit großer Selbstverständlichkeit sagen einige Kellner in Rumänien solche Sätze. Das Fleisch schmeckt ähnlich wie Hirsch oder Reh. Bärenmedaillons in Waldpilzsoße serviert zum Beispiel ein rustikales Restaurant in Bukarest (»Restaurantul și Terasa Doamnei«), wenn auch in sehr touristischem Rahmen. Auch einige Ausflugslokale im Karpaten-Bergort Poiana Brașov haben Bärenbraten zu zivilen Preisen auf der Karte. Eine Seltenheit ist dagegen die Bärenpranke – das »Forest Restaurant« des »Ioana Hotels« im Bergstädtchen Sinaia serviert die Portion für gut 100 Euro.
Info: Preisbeispiel für eine Bärenbeobachtung: Veranstalter CN Tours (www.cntours.eu), 50 €/Person bei mindestens 2 Teilnehmern. www.facebook.com (Bärenreservat), www.ioana-hotels.com.


Besichtigung: Schloss Peleș

Das ehemals erste voll elektrifizierte Schloss Europas (Foto: Diana Stănescu)
Das ehemals erste voll elektrifizierte Schloss Europas (Foto: Diana Stănescu)

Auf einer Lichtung, von dichtem Wald umgeben, steht das Königsschloss Peleș. Sein Erbauer war Carol I. (1839-1914), der Begründer der rumänischen Königsdynastie. Er stammte aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen.
Das sehenswerte Schloss, 1883 fertiggestellt und bis 1914 erweitert, bot High-Tech mitten in den Karpaten: Es war das erste voll elektrifizierte Schloss Europas, hatte eine Zentralheizung, Aufzüge und Telefon. Und sogar ein Glasdach über der Ruhmeshalle, das elektrisch zu öffnen war.
Info: www.peles.ro, Mi 11-16.15 Uhr, Do-So 9.15-16.15 Uhr, 20 RON (rund 4,50 €).


Unterwelt: Die Salzmine von Turda

In der unterirdischen Zauberwelt der Salzmine von Turda (Foto: Diana Stănescu)
In der unterirdischen Zauberwelt der Salzmine von Turda (Foto: Diana Stănescu)

Ein dunkler Salzsee glitzert in der Tiefe, ein Riesenrad dreht sich langsam. Eine unterirdische Zauberwelt eröffnet sich dem Besucher, der mit dem gläsernen Aufzug in die Salzmine von Turda fährt. Seit 1932 wird darin kein Salz mehr abgebaut. Dafür können Gäste heute Boot fahren, Minigolf, Tischtennis und Billard spielen. Oder schlicht über die Größe der Galerien staunen – im größten Saal blickt man 90 Meter in die Höhe. Die Mine befindet sich in der Nähe der Studentenstadt Cluj (Klausenburg) im nördlichen Siebenbürgen (Transsilvanien).
Die Salzmine von Turda ist die wohl schönste, aber nicht die einzige in Rumänien, die zum unterirdischen Freizeitpark ausgebaut wurde. Auch in Praid (Siebenbürgen) und Ocnele Mari (Walachei) wurden Salzminen mit Kinderspielplätzen, Sportanlagen und Therapiemöglichkeiten für Atemwegserkrankungen ausgestattet, ja sogar mit Kirchen, in denen Trauungen und Gottesdienste stattfinden.
Info: www.salinaturda.eu, täglich 9-17 Uhr (letzter Einlass 16 Uhr), Eintritt 20 RON (rund 5 €). www.salinapraid.ro, www.salinaocnelemari.ro.


Schönste Stadt: Die Altstadt von Sibiu (Hermannstadt)

Die Altstadt von Sibiu, idyllisch und mit pastellfarbenen Patrizierhäusern bebaut (Foto: Diana Stănescu)
Die Altstadt von Sibiu, idyllisch und mit pastellfarbenen Patrizierhäusern bebaut (Foto: Diana Stănescu)

Pastellfarbene Patrizierhäuser, zum Teil aus dem 15. Jahrhundert, säumen die drei Hauptplätze. Schöne Fassaden in Rot, Gelb, Himmelblau und Pistaziengrün künden vom Wohlstand der Erbauer. Schließlich war Hermannstadt, im 12. Jahrhundert von deutschen Siedlern gegründet und später Teil des Habsburger Reichs, ein florierendes Handelszentrum.
Sich einfach treiben lassen: In der gemütlichen Altstadt gibt es viele Details zu entdecken. Hier ein verwunschener Innenhof, dort ein verspieltes Detail. In der deutschen Schiller-Buchhandlung schmökern, einen Kaffee in der Sonne trinken, auf das Dächermeer der Altstadt schauen, abends in einem urigen Kellerlokal essen (Crama Sibiul Vechi).
Kirchtürme, Arkadengänge, abendliches Stimmengewirr in den hübschen Lokalen. Und dazu der Mond, der oft groß und gelb und wie aus Pappmaché über den Dächern leuchtet: All das macht Hermannstadt zu einer der liebenswertesten Städte des Landes.

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