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Teil 15: Herzblut, Leidenschaft und kulturelle Identität
Experience Gaelic Games

Autorin Judith Weibrecht<br>
Autorin Judith Weibrecht

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WO? Na Fianna GAA Club, Mobhi Road, Glasnevin +++ Bus 4/9/155 Na Fianna GAA Club +++
WANN? Täglich 10 bis 13 oder 11 bis 14 Uhr +++ auf Englisch +++ experiencegaelicgames.com +++
WIE LANGE? 3 Stunden +++ Wichtig! Im Voraus buchen! +++
WIE VIEL? Erwachsene 39 Euro, Studenten und unter 18-Jährige 28 Euro +++

Illustration 1: Herzblut, Leidenschaft Und Kulturelle Identitaet
Illustration: Mirja Schellbach

Helm auf, Gesichtsschutz runtergeklappt, Schläger in die Hand.

Los jetzt! Ich stehe auf dem Rasen des riesigen Spielfelds und versuche, mit einer Art Brett mit Griff den Ball vom Boden aufzunehmen. Wahrscheinlich sehe ich aus wie in einem Harry-Potter-Film beim Quidditch. Liam unterrichtet mich und grinst. Bereits die Kleinsten, die nebenan trainieren, können das besser als ich. Ein Gewusel. Begeisterte Eltern am Spielfeldrand. Ist ganz Dublin hier versammelt? Es ist Sonntag, und man pflegt seinen Nationalstolz: gälische Sportarten. »Das geht weit über Sport hinaus«, betont Liam, »Es geht um unsere Gemeinschaft als Iren, um Identität und emotionale Verbundenheit.« Es gebe nichts Vergleichbares auf der Welt. Kommt man als Tourist hierher, um sich mit den irischen Spielen vertraut zu machen, geht es zunächst einmal in den Club zu einer Einführung.

Die Autorin bei den Gaelic Games
Vollausgerüstet – Foto: Judith Weibrecht

Dort erklärt Cormak: »Das Beste, um uns Iren kennenzulernen,

ist, in ein irisches Heim eingeladen zu werden. Und das Zweitbeste, in einen Club wie diesen hier zu gehen.« Die meisten hätten noch nie von gälischen Sportarten gehört. Dabei seien sie eine Passion. Normalerweise verglichen deutsche Besucher das mit Fußball. »Aber das ist unfair!«, ruft Cormak. »Gaelic Games bedeuten viel mehr: Leidenschaft, Einzigartigkeit und irische Kultur.« Täglich würde so in 2.200 Clubs auf der Insel soziales Verhalten eingeübt. Denn auf dem Spielfeld sind sie alle gleich. Die Dubliner Gaelic Athletic Association »Na Fianna« ist eine der größten des Landes, und ungeachtet ihres Alters, Geschlechts, ihrer Fähigkeiten und Vorkenntnisse üben alle zusammen. Für jeden jungen Menschen sei es die größte Ehre, für die County-Games als Teilnehmer ausgewählt zu werden. Die Endspiele im Sommer hätten sogar mehr Zuschauer als große Fußballspiele in Europa, »denn es sind keine kommerziellen Spiele, die Teilnehmer verdienen nichts«. Vielleicht kommt die ganze Begeisterung auch daher, dass diese Spiele einst unterdrückt und sogar verboten waren, z. B. in den 1920ern. »Meine Eltern mussten das noch erleben«, sagt Cormak mit feuchten Augen.

Illustration 2: Herzblut, Leidenschaft Und Kulturelle Identitaet
Illustration: Mirja Schellbach

Heutzutage sind sie pure Freude.

Hurling und Camogie (die weibliche Variante) wurden 2018 von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Ein paar Regeln gibt es: Beim auch Gaelic Football genannten Sport, dieser Melange aus Rugby und Fußball, darf man den Ball für maximal vier Schritte in die Hand nehmen, dann muss er den Boden wieder berühren. Geschossen wird mit dem Fuß oder per Faustkick. Ein Tor zählt drei Punkte. Gaelic Handball funktioniert ein bisschen wie Squash, nur dass es mit dem Handballen gespielt wird. Langsam, aber sicher steigere ich mich und kann schon dreimal gegen die Betonwand spielen. Liam findet, es sei nun an der Zeit, mir einige Kunststücke mit dem Schläger zu zeigen und vielleicht sogar beizubringen. Das Ganze wirkt auf mich ähnlich wie Hockey und ist mit bis zu 180 Kilometer pro Stunde eines der schnellsten Ballspiele überhaupt. Den kleinen Ball muss ich mit dem hölzernen Schläger (Hurling) vom Rasen aufnehmen und weitertragen.
Anfänger wie ich kriegen allerdings einen Softball und einen weicheren Schläger. Das ... üben wir noch.

Der Glasnevin Friedhof – Foto: Judith Weibrecht
Der Glasnevin Friedhof – Foto: Judith Weibrecht

Wenn man schon mal hier ist:

Im Cat & Cage (catandcage.ie) um die Ecke trifft man sich nach dem Spiel. Im selben Stadtteil ist zudem der Glasnevin Friedhof beheimatet (siehe S. 124), wo einige der berühmtesten Spieler begraben liegen. Dort befinden sich auch die Ruhestätten mancher, die am 21. November 1920 beim »Bloody Sunday« während eines Gaelic Football Spiels im Croke Park Stadion (siehe S. 112) von britischen Soldaten erschossen wurden.

Dies ist eines von 33 Erlebnissen in und um Dublin, die außergewöhnlich sind und abseits der Routen stattfinden, aufgeschrieben von der Reisebuchautorin Judith Weibrecht. Der Artikel ist erschienen in Dublin – Abenteuer (1. Auflage 2023) innerhalb der Reihe MM-Abenteuer.

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