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Interview von Michael Müller mit Kevin Lossner

Michael ist multilingual unterwegs und wollte vor einigen Jahren seinen Portugal-Reiseführer ins Englische übersetzen lassen. Von einer kleinen Übersetzungsfirma in Porto wurde er auf Kevin Lossner aufmerksam gemacht. Dieser lehrte damals an der Universität in Lissabon, der Weg war also nicht weit. Der Kontakt war schnell hergestellt, das Projekt rasch umgesetzt – und heute ist die englische Version des Reiseführers in der mmtravel App verfügbar. Auf der Buchmesse in Porto trafen sich die beiden nun wieder und nutzten die Gelegenheit für ein Gespräch.

Michael und Kevin auf der Buchmesse in Porto – Foto: MMV
Michael und Kevin auf der Buchmesse in Porto – Foto: MMV

Welche Sprachen sprichst Du?

Englisch, Deutsch, Portugiesisch und Spanisch hauptsächlich. Auch ein bisschen Russisch und Japanisch, aber seit den 80er Jahren selten.

Was hat Dich nach Lissabon geführt?

Ich bin mittlerweile recht selten dort, nur für gelegentlichen Unterricht bzw. Gastvorträge an der Universidade Nova FCSH, oder um Freunde oder Kollegen zu treffen. Wir haben eine Wohnung in Benfica, nahe zum Paque Silva Porto, und sie dient gut als Ruheort für Reisen im Inland und Ausland, da die Bus-, Zug- und Flugzeugverbindungen unweit von dort liegen.
Ich wohne aktuell an der spanischen Grenze in Elvas, früher in Évora, beide in Alentejo.

Wie bist Du zum Übersetzen gekommen?

Ich habe mit 14 angefangen, Kochbuchtexte zu übersetzen. Die Geschichte gibt es hier. Zur gleichen Zeit war ich beinahe jedes Wochenende am CalTech, um die Laboratorien und Rechenzentrum zu benutzen. Dort habe ich viel Zeit in den Bibliotheken verbracht, wo ich alte deutsche Forschungsjournale, wie z.B. Liebigs Annalen der Chemie las und gelegentlich übersetzte. 
Später an der Uni (1979–1983) habe ich öfter Forschungsartikel für die jüngeren Professoren übersetzt, weil nur die älteren über Deutschkenntnisse verfügten, und die sprachliche Unfähigkeit der jüngeren oft zu schlechter Forschungsplanung führte. In meinem dritten Studienjahr habe ich als akademischer Austauschstudent auch russisch-deutsche Übersetzung an der Universität des Saarlandes studiert, sowie Sumerisch in der Abteilung für Vorderasiatische Archäologie. Nach der Uni (1984+) habe ich als Forschungschemiker gearbeitet und manche Forschungsberichte und Patentschriften für die diversen Forscher im Avery Forschungszentrum in Pasadena, Kalifornien übersetzt. 
Ende 1999 bin ich nach Deutschland ausgewandert, und ab 2000 habe ich neben meiner Tätigkeit als Informatikberater auch kommerzielle Übersetzungen unternommen, hauptsächlich für Informatik, Wissenschaft, Verfahrenstechnik und Patente. Später habe ich auch juristische Texte und Finanzberichte übersetzt, insbesondere wo wissenschaftliche bzw. technische Kompetenzen gefragt waren. Parallel zur übersetzenden Tätigkeit habe ich viele Firmen bei der Planung und technischen Ausführung ihrer sprachbezogenen Prozesse begleitet, was ich heute noch tue.

Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus? Was übersetzt Du?

Seit 2024 bin ich in Rente und übernehme keine kommerziellen Übersetzungsprojekte mehr. Ich überlege, im Laufe des kommenden Jahres geeignete historische Texte aus dem 19. Jahrhundert oder sogar früher oder auch Literatur aus diesen Zeiten zu bearbeiten.

Wie gehst Du mit Textstellen um, die sich nur schlecht in eine andere Sprache übersetzen lassen?

Ich übersetze sie natürlich. »Schlecht übersetzen lassen« deutet meist auf einen Mangel der Phantasie hin. Richtig verstanden ist die Übersetzung eine multidimensionale Kommunikation, wobei die Sprachen nicht alle Variablen darstellen. Kulturelle und emotionale Dimensionen sind u.a. oft von gleichwertiger oder sogar größerer Bedeutung, und wer die vielen relevanten Elemente beherrscht kann, mit Mühe, den Sinn auf geeignete Weise übertragen. Dabei entnehme ich mein Motto aus Goethes Faust, 2. Teil: »Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.«

Spielt KI bisher eine Rolle bei deiner Arbeit?

KI bleibt aus meiner Tätigkeit heraus, da sie nichts von Wert anzubieten hat. Diese künstliche »Intelligenz« ist doch keine, sondern einfach ein statistisches Trugbild, das auf Mittelmaß zielt. Sowohl ich als auch meine Kunden und Leser können mit Mittelmäßigkeit und die aus der KI entstandenen Fehlinformationen nichts anfangen.

Wer tiefer einsteigen möchte: Beim Übersetzen des Reiseführers gab es so einige Hürden, die die beiden genommen haben. Als Problem haben sich z.B. Öffnungszeiten herausgestellt, also vom 24-Stunden-Format zum 12-Stunden-Format mit am/pm. In diesem Video wird unter anderem darauf eingegangen: