Gourmet-Hauptstadt Nürnberg
Exzellente Küche im Frankenland
Sieht man von Baiersbronn im Schwarzwald ab, hat keine deutsche Stadt eine solche Dichte an Gourmetrestaurants zu bieten wie Nürnberg. In der Frankenmetropole gibt es derzeit zwei Zwei-Sterne-Restaurants sowie sechs weitere Lokale, die mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet sind – mehr als München oder Berlin vorweisen können. Ralf Nestmeyer, der Autor unseres Nürnberg-Reiseführers, hat einen Blick auf die fränkische Gourmetszene geworfen.
Als 1994 die erste Auflage meines Nürnberg-Stadtführers im Michael-Müller-Verlag erschien, spielte die Frankenmetropole in kulinarischer Hinsicht noch in einer anderen Liga. Mit dem Gasthaus Bammes existierte damals lediglich ein einziges Sternerestaurant, sonst beherrschten Schäuferla und Bratwürste die Speisekarten an der Pegnitz. Doch dann begann ein ungeahnter kulinarischer Aufschwung, der eng mit dem Namen Andree Köthe verbunden ist. Der innovative Koch übernahm 1989 das Restaurant Essigbrätlein in der Sebalder Altstadt und erkochte sich mit seinem Co-Küchenchef Yves Ollech und seiner einzigartigen Gewürz- und Gemüseküche bereits 1999 einen ersten Michelin-Stern. Statt auf die damals in der Sternegastronomie üblichen Edelprodukte setzte das Essigbrätlein auf in der Haute Cuisine unbekannte Signature-Dishes wie »Rote Beete mit Kümmelkaramell«. Seit der ersten Auflage meines City-Guides wird das Essigbrätlein für seine ausgefallene Küche gelobt und trägt dort bis heute das Label »Mein Tipp«. Im Jahr 2007 wurde das Lokal mit einem zweiten Michelin-Stern ausgezeichnet und besitzt aufgrund des nachhaltigen Konzepts und der »Leaf to root«-Philosophie auch einen Grünen Stern. Das 7-gängige-Abendmenü im Essigbrätlein ist ein einzigartiges kulinarisches Erlebnis, das allein schon eine Reise nach Nürnberg rechtfertigt.
Mit dem Restaurant Etz – fränkisch für »jetzt« – gibt es in Nürnberg ein weiteres Zwei-Sterne-Lokal. Küchenchef Felix Schneider verfolgt eine konsequent nachhaltige Philosophie und wurde ebenfalls mit einem Grünen Stern geehrt. Schneider baut einen Großteil seiner Zutaten selbst im Knoblauchsland an, wo er einen 3.000 Quadratmeter großen Gemüsegarten bewirtschaftet. Seine Menüs aus fünfzehn kleinen Gängen bieten eine beeindruckende Geschmacksvielfalt. Für die kalten Monate wird im Sommer fermentiert, getrocknet, eingekocht und gepökelt – nichts wird verschwendet, selbst Fischinnereien werden zu Garum, einer Würzsoße, verarbeitet.
Doch auch abseits dieser beiden kulinarischen Leuchttürme ist Nürnberg längst zu einem Feinschmecker-Hotspot aufgestiegen. Da ist zum Beispiel das coole Tisane, das mit seinem Chef’s-Table-Konzept begeistert. Es gibt nur 16 Plätze, die hufeisenförmig um die offene Küche gruppiert sind, in der René Stein seine Gäste verwöhnt und sich beim Kochen über die Schulter schauen lässt. Valentin Rottner vom Waidwerk im traditionsreichen Gasthof Rottner ist ein ambitionierter Jäger und posiert auf der eigenen Homepage mit Jagdgewehr, denn das Wild, das er seinen Gästen serviert, erlegt er selbst, zum Beispiel den Hirsch mit Pfifferlingen, Kohlrabi und Magnolie, den es als Hauptgang gibt. In den Entenstuben überrascht Fabian Denninger mit meisterhaft interpretierten Klassikern wie Jakobsmuscheln oder karamellisierter Gänseleber, während Vadim Karasev im Veles im multikulturellen Gostenhof auf unverfälschte Aromen und Nachhaltigkeit setzt (ebenfalls Grüner Stern). Meiers Zwei-Sinn wiederum punktet nicht nur mit einem gehobenen Fine Dining, sondern auch mit einem Bistro-Ableger, der eine günstige französisch-mediterrane Küche sowie einen täglich wechselnden Business Lunch zu bieten hat.
Mit seinem 2024 verliehenen Michelin-Stern ist das Wonka das jüngste unter den Nürnberger Sternelokalen, obwohl Christian Wonka seit Jahrzehnten für seine exzellente Küche bekannt ist. Der Michelin-Stern für das im Stadtteil Johannis gelegene Restaurant folgte dann auf eine Konzeptänderung hin zu einer asiatisch inspirierten Küche mit jeweils einem »normalen“ und einem ebenso köstlichen veganen Menü.
Die knappen Ankündigungen wie »Kohlrabi – Kartoffel – Nori«, »Loup de Mer – Kimchi – Umeboshi« oder »Wachtel – Pflaume – Hoisin« lassen dezent erahnen, welche Geschmackskompositionen den Gast erwarten. Übrigens ist das Wonka bereits seit mehreren Auflagen ein »Mein Tipp« im Nürnberg-Reiseführer …