Lesezeit: 1 minReportage

»Die Wasserlose«
Wassermanagement auf der Vulkaninsel

An der Kanareninsel Lanzarote schätzen Reisende das ganzjährig milde und niederschlagsarme Klima. Nur wenige wissen, dass es dort nahezu kein Grundwasser gibt. Eberhard Fohrer, der Autor unseres Lanzarote-Reiseführers, bereist »die Wasserlose«, wie die Insel auch genannt wird, seit vielen Jahren regelmäßig und hat sich mit dem Thema Wassermangel und -management auf Lanzarote ausführlich beschäftigt.

Ein freundlich lächelnder Mann mittleren Alters blickt in die Kamera. Er hat graues, leicht gewelltes Haar und trägt ein dunkelgraues Polohemd. Der Hintergrund besteht aus grünen Blättern, was auf eine Aufnahme im Freien hindeutet. Das Bild wirkt natürlich und ungezwungen.
Autor Eberhard Fohrer

Die Vulkaninsel Lanzarote gehört zu den Ostinseln der Kanaren, liegt 130 km vor der afrikanischen Küste – und besitzt so gut wie kein Grundwasser! Ein lapidarer Satz, dennoch in unseren Breiten kaum vorstellbar. Denn, wie lebt es sich eigentlich ohne Wasser?

Die frühen Bewohner (seit dem 1. Jh. n. Chr.) errichteten großflächige Speicherzisternen, um die spärlichen Regenfälle des Winters aufzufangen, bohrten zudem kilometerlange Stollen in die Berge, die die mehr als bescheidenen Wasservorkommen herausleiten sollten. Doch mit dem Aufkommen des Tourismus reichte das bei Weitem nicht mehr aus. Da kam in den 1960er-Jahren die geniale Idee der Meerwasserentsalzung auf, die auf Lanzarote sofort realisiert wurde, damals angeblich erst die zweite Entsalzungsanlage weltweit. Bis heute werden so über 90 % des benötigten Süß­wassers der Insel pro­du­ziert: Unter Druck wird Meer­wasser durch zahl­reiche Mem­bra­nen hin­durchge­presst, wobei die gelösten Stof­fe, pri­mär Sal­zio­nen, hängenbleiben.

Die Salinas de Janubio an der rauen Westküste Lanzarotes – Foto: Eberhard Fohrer
Die Salinas de Janubio an der rauen Westküste Lanzarotes – Foto: Eberhard Fohrer

Die Lösung lag also buchstäblich im Meer – und Meerwasser war es auch, das Lanzarote ab dem 19. Jh. eine bescheidene wirtschaftliche Prosperität bescherte. Jedes Schiff be­nö­tigte auf den wochen- und mo­na­te­lan­gen Fahrten durch den Atlantik Salz zum Konservieren sei­ner Le­bens­mit­tel. So entstanden überall auf Lanzarote Salinen, in denen Meersalz gewonnen wurde: Zunächst ver­duns­tet das Was­ser in großen Becken, wird dann in kleinere Be­cken ge­leitet, von dort schließlich als dick­flüs­sige Salzmasse in die ei­gent­li­chen Sali­nen – kleine Rechtecke, die nur maxi­mal 2x2 m groß sind. Hier blei­ben schließlich reine Salzkristalle üb­rig, die in gro­ßen Haufen zu einem letz­ten Tro­cknungs­vorgang aufgehäuft wer­den. Ein vergleichsweise einträgliches Geschäft über viele Jahrzehnte – doch als An­fang des 20. Jh. auf den Schiffen elek­tri­sche Kühlag­gre­ga­te eingerichtet wur­den, kam das Aus für die Salinen. Heute sind auf Lanzarote nur noch die Salinas de Janubio in Betrieb, eine weiträumige Salzver­dunstungsanlage an der Westküste. Sie ist die größte der Kanaren und steht unter Denkmalschutz. Das ökologisch gewonnene Meersalz kann man dort direkt vor Ort kaufen.

Die Salinas de Janubio stehen unter Denkmalschutz – Foto: Eberhard Fohrer
Die Salinas de Janubio stehen unter Denkmalschutz – Foto: Eberhard Fohrer

Lanzarotes Bauern machten ebenfalls eine entscheidende Entdeckung: Nach den schweren Vulkanausbrüchen im 18. Jh. waren die Bö­den über viele Qua­drat­ki­lo­me­ter hin­weg mit vulkanischem Auswurf über­zogen (Picón). Dabei sah man, dass Pflanzen, deren Wurzeln mit der Vulkan­asche be­deckt waren, besonders gut wuch­sen. Der Grund: Tags­über schützte die Asche den Boden vor den aus­dör­ren­den Son­nen­strahlen, nachts kon­den­sierte die Luftfeuchtigkeit in Boden­nähe und setzte sich als Tau ab. Der Pi­cón hat nun we­gen seiner hauchfeinen Ka­pil­lar­e die großartige hy­gros­ko­pi­sche Ei­gen­­schaft, den nächtlichen Tau zu speichern und erst im Lauf des nächs­ten Tages all­mählich ins Erd­reich abzugeben. Das Ergeb­nis war also eine kontrollierte Be­wässe­rung, wie man sie sich auf der fast nie­der­schlags­losen Insel besser nicht wün­schen konnte. Besonders gut funktioniert das Prinzip bei Weinstöcken, die auf re­gel­mä­ßi­ge Be­wäs­se­rung angewiesen sind. So begann man, das Gebiet La Geria nahe der Timanfaya-Vulkane zur Wein­bau­region auszu­bau­en, die heute nahezu jeder Lanzaroteurlauber besucht.

Im Weinbaugebiet La Geria – Foto: Eberhard Fohrer
Im Weinbaugebiet La Geria – Foto: Eberhard Fohrer

Die Wasserarmut Lanzarotes zeitigt aber noch weitere Effekte. Die vulkanischen Böden eignen sich nämlich aufgrund ihrer Trockenheit und wegen ihres idealen Säuregehalts bestens für den Anbau von Aloe vera. Diese alte Heilpflanze gehört zu den wasserspeichernden Sukkulenten, verfügt über zahlreiche therapeutische Eigenschaften und benötigt keine übermäßige Feuchtigkeit. Sie ist schon seit dem Altertum bekannt und in vielen Weltregionen heimisch, die Kanarischen Inseln waren jedoch die erste europäische Region, in der man sie anbaute, allein auf Lanzarote sind es heute mehr als 150 Hektar Anbaufläche. Wer sich dafür interessiert – im Norden Lanzarotes liegt die ökologisch betrie­bene Plan­ta­ge Lanzaloe Park (lanzaloe.com), angeblich die größte Europas. Hier kann man in aller Ruhe einen Rundgang zwischen den Feldern machen, sich auf Schautafeln in­for­mieren und anschließend die viel­fältigen Aloe-vera-Pro­dukte (hauptsächlich Kosmetik und Jungpflanzen) erwer­ben.

Im Lanzaloe Park bei Órzola – Foto: Eberhard Fohrer
Im Lanzaloe Park bei Órzola – Foto: Eberhard Fohrer

Nachhaltiges Wassermanagement ist heute eine globale Herausforderung – auf Lanzarote lebt man damit schon seit fast zwei Jahrtausenden.

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