»Die Wasserlose«
Wassermanagement auf der Vulkaninsel
An der Kanareninsel Lanzarote schätzen Reisende das ganzjährig milde und niederschlagsarme Klima. Nur wenige wissen, dass es dort nahezu kein Grundwasser gibt. Eberhard Fohrer, der Autor unseres Lanzarote-Reiseführers, bereist »die Wasserlose«, wie die Insel auch genannt wird, seit vielen Jahren regelmäßig und hat sich mit dem Thema Wassermangel und -management auf Lanzarote ausführlich beschäftigt.
Die Vulkaninsel Lanzarote gehört zu den Ostinseln der Kanaren, liegt 130 km vor der afrikanischen Küste – und besitzt so gut wie kein Grundwasser! Ein lapidarer Satz, dennoch in unseren Breiten kaum vorstellbar. Denn, wie lebt es sich eigentlich ohne Wasser?
Die frühen Bewohner (seit dem 1. Jh. n. Chr.) errichteten großflächige Speicherzisternen, um die spärlichen Regenfälle des Winters aufzufangen, bohrten zudem kilometerlange Stollen in die Berge, die die mehr als bescheidenen Wasservorkommen herausleiten sollten. Doch mit dem Aufkommen des Tourismus reichte das bei Weitem nicht mehr aus. Da kam in den 1960er-Jahren die geniale Idee der Meerwasserentsalzung auf, die auf Lanzarote sofort realisiert wurde, damals angeblich erst die zweite Entsalzungsanlage weltweit. Bis heute werden so über 90 % des benötigten Süßwassers der Insel produziert: Unter Druck wird Meerwasser durch zahlreiche Membranen hindurchgepresst, wobei die gelösten Stoffe, primär Salzionen, hängenbleiben.
Die Lösung lag also buchstäblich im Meer – und Meerwasser war es auch, das Lanzarote ab dem 19. Jh. eine bescheidene wirtschaftliche Prosperität bescherte. Jedes Schiff benötigte auf den wochen- und monatelangen Fahrten durch den Atlantik Salz zum Konservieren seiner Lebensmittel. So entstanden überall auf Lanzarote Salinen, in denen Meersalz gewonnen wurde: Zunächst verdunstet das Wasser in großen Becken, wird dann in kleinere Becken geleitet, von dort schließlich als dickflüssige Salzmasse in die eigentlichen Salinen – kleine Rechtecke, die nur maximal 2x2 m groß sind. Hier bleiben schließlich reine Salzkristalle übrig, die in großen Haufen zu einem letzten Trocknungsvorgang aufgehäuft werden. Ein vergleichsweise einträgliches Geschäft über viele Jahrzehnte – doch als Anfang des 20. Jh. auf den Schiffen elektrische Kühlaggregate eingerichtet wurden, kam das Aus für die Salinen. Heute sind auf Lanzarote nur noch die Salinas de Janubio in Betrieb, eine weiträumige Salzverdunstungsanlage an der Westküste. Sie ist die größte der Kanaren und steht unter Denkmalschutz. Das ökologisch gewonnene Meersalz kann man dort direkt vor Ort kaufen.
Lanzarotes Bauern machten ebenfalls eine entscheidende Entdeckung: Nach den schweren Vulkanausbrüchen im 18. Jh. waren die Böden über viele Quadratkilometer hinweg mit vulkanischem Auswurf überzogen (Picón). Dabei sah man, dass Pflanzen, deren Wurzeln mit der Vulkanasche bedeckt waren, besonders gut wuchsen. Der Grund: Tagsüber schützte die Asche den Boden vor den ausdörrenden Sonnenstrahlen, nachts kondensierte die Luftfeuchtigkeit in Bodennähe und setzte sich als Tau ab. Der Picón hat nun wegen seiner hauchfeinen Kapillare die großartige hygroskopische Eigenschaft, den nächtlichen Tau zu speichern und erst im Lauf des nächsten Tages allmählich ins Erdreich abzugeben. Das Ergebnis war also eine kontrollierte Bewässerung, wie man sie sich auf der fast niederschlagslosen Insel besser nicht wünschen konnte. Besonders gut funktioniert das Prinzip bei Weinstöcken, die auf regelmäßige Bewässerung angewiesen sind. So begann man, das Gebiet La Geria nahe der Timanfaya-Vulkane zur Weinbauregion auszubauen, die heute nahezu jeder Lanzaroteurlauber besucht.
Die Wasserarmut Lanzarotes zeitigt aber noch weitere Effekte. Die vulkanischen Böden eignen sich nämlich aufgrund ihrer Trockenheit und wegen ihres idealen Säuregehalts bestens für den Anbau von Aloe vera. Diese alte Heilpflanze gehört zu den wasserspeichernden Sukkulenten, verfügt über zahlreiche therapeutische Eigenschaften und benötigt keine übermäßige Feuchtigkeit. Sie ist schon seit dem Altertum bekannt und in vielen Weltregionen heimisch, die Kanarischen Inseln waren jedoch die erste europäische Region, in der man sie anbaute, allein auf Lanzarote sind es heute mehr als 150 Hektar Anbaufläche. Wer sich dafür interessiert – im Norden Lanzarotes liegt die ökologisch betriebene Plantage Lanzaloe Park (lanzaloe.com), angeblich die größte Europas. Hier kann man in aller Ruhe einen Rundgang zwischen den Feldern machen, sich auf Schautafeln informieren und anschließend die vielfältigen Aloe-vera-Produkte (hauptsächlich Kosmetik und Jungpflanzen) erwerben.
Nachhaltiges Wassermanagement ist heute eine globale Herausforderung – auf Lanzarote lebt man damit schon seit fast zwei Jahrtausenden.