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»Ein Rumänien, das nicht in den Nachrichten vorkommt.«
5 Fragen an Diana Stănescu

Geadelt hat ihn nicht nur die ZEIT: den Reiseführer zu »Rumänien« der in Rumänien geborenen Reisejournalistin Diana Stănescu. Auch viele verkaufte Exemplare und begeisterte Leserbriefe stehen für sich. In unserer Interview-Serie verrät die Rumänien-Expertin, weshalb das Buch auch Hintergründe zur einstigen Diktatur beschreibt und in welche Regionen man reisen soll, wenn man die mitteleuropäische 20-Millionen-Republik fernab der vielen Rumänien-Klischees kennenlernen will.


1. Die ZEIT hat Ihren Michael-Müller-Band über Rumänien als »fast schon politisches Buch« bezeichnet. Wie kam es zu dieser Ausrichtung? Hing es damit zusammen, dass Sie als Kind das Ceausescu-Regime miterlebt haben?

Porträt einer Frau in Schwarzweiß, die lächelnd in die Kamera schaut. Sie trägt ein dunkles Sakko und hat kurze, lockige Haare. Das Bild wirkt klassisch und formell. Der Hintergrund ist unscharf und besteht aus einem Mauerwerk.

Es war keine bewusste Ausrichtung. Denn in erster Linie habe ich Wert darauf gelegt, einen Reiseführer zu schreiben, der Lust auf das Reiseland Rumänien macht – durch einen lebendigen Schreibstil, durch viele Tipps abseits der Trampelpfade und durch eine Menge Anekdoten und Hintergrundinformationen.
Dennoch gibt es natürlich Stellen im Buch, an denen es um Sehenswürdigkeiten mit politischem Hintergrund geht, etwa Ceausescus gewaltiger Parlamentspalast in Bukarest – das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt. Da sehe ich dann nicht nur den Marmor und die tonnenschweren Kristalllüster, sondern denke: Das hast Du gebaut, während ein ganzes Volk gelitten hat. An solchen Stellen spürt man sicher, dass ich als Autorin einen persönlichen Bezug dazu habe, weil ich im Ceausescu-Regime aufgewachsen bin. Da haben die Beschreibungen eine gewisse persönlich gefärbte Wucht.
Dennoch war mir, wie gesagt, wichtig, bei aller Tiefe, die solche Themen erfordern, auch Leichtigkeit und Lebensfreude zu transportieren, denn es geht ja um die schönste Nebensache der Welt: Urlaub und Reisen.


2. Wenn man nur eine Woche für eine Rumänien-Reise einplanen kann – was würden Sie unbedingt ansteuern?

Historischer Stadtplatz mit markanten Gebäuden unter blauem Himmel. Links ein Gebäude mit dunklem Dach und weißen Fassade, im Zentrum ein prachtvolles Rathaus mit mehreren Etagen und einem Turm. Rechts eine Kirche mit grünem Zwiebelturm und rotem Ziegeldach. Der Platz ist gepflastert und wirkt belebt.
Den schön restaurierten Großen Ring in Sibiu (Hermannstadt) säumen prächtige historische Bauten. (Foto: Diana Stănescu)

Ich würde in Bukarest starten und über Sinaia und das Königsschloss Peles nach Transsilvanien (Siebenbürgen) fahren. Dort würde ich die drei schönsten Städte, nämlich Brasov (deutsch: Kronstadt), Sibiu (Hermannstadt) und Sighisoara (Schäßburg), ansteuern. Absolutes Muss ist auch die Besichtigung einer der Kirchenburgen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Mein Favorit ist die Kirchenburg von Prejmer (dt. Tartlau), die man leicht von Kronstadt aus erreicht.
Für Siebenbürgen würde ich mich deshalb entscheiden, weil es schöne Städte bietet, viel Natur (Wandern in den Karpaten) und viele Angebote für malerische Ferien auf dem Lande. Außerdem kann man noch viel deutsches bzw. deutschsprachiges Kulturgut aufspüren, denn Siebenbürgen wurde ja von deutschen Siedlern besiedelt und gehörte später zu Österreich-Ungarn.


3. Hand aufs Herz: Wie viele Wochen braucht man, um diese mitteleuropäische 20-Millionen-Republik »wirklich« kennenzulernen, um einen Eindruck von Land und Leuten zu haben, der sich von den westlichen Klischees abhebt?

Eine belebte Straßenszene mit einer französischen Bäckerei im Vordergrund, deren Sonnenschirme über Tischen und Stühlen gespannt sind. Im Hintergrund ragen klassische Gebäude mit Säulen und eine Kuppel auf. Menschen gehen die Straße entlang und sitzen in der Bäckerei. Die Szene vermittelt einen Eindruck von urbanem Leben und europäischer Architektur.
Das stimmungsvolle Altstadt-Viertel Lipscani in Bukarest. (Foto: Diana Stănescu)

Da ist man locker drei bis vier Urlaube beschäftigt! Ich würde sagen, drei Tage für Bukarest, mindestens zwei Wochen für Siebenbürgen. Um rumänische ländliche Traditionen kennenzulernen, sollte man eine Woche in der urigen Maramures mit ihren UNESCO-geschützten Holzkirchen, den freundlichen Menschen und dem gut konservierten Brauchtum verbringen. Von seiner Schokoladenseite zeigt sich das ländliche Rumänien auch in der Bucovina mit den bemalten orthodoxen Klöstern (ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe), der sanften, grünen Landschaft und den malerischen Dörfern. Ein großes Naturschauspiel bietet das Donaudelta mit seinen Pelikankolonien – um es zu genießen, sollte man sich knapp eine Woche Zeit nehmen. Ein »eigener« Urlaub wäre sicher noch ein Wanderurlaub in den Karpaten.


4. Noch einmal zu Ihrer persönlichen »rumänischen« Geschichte: Weshalb wollten Sie ein Buch über ein Land verfassen, das Sie als Elfjährige verlassen haben? Back to the roots? Oder neu entfachte Leidenschaft, nachdem Sie lange in München und Köln gelebt haben?

Eine weite Berglandschaft unter blauem Himmel mit vereinzelten weißen Wolken. Ein Wanderer ist auf einem schmalen Pfad zu sehen, der sich durch die felsige, grasbewachsene Landschaft schlängelt. Im Hintergrund erheben sich weitere Berge und ein dichter Wald. Die Szenerie vermittelt einen Eindruck von Freiheit und Naturverbundenheit.
Natur, ganz nah. Wandern im Nationalpark Piatra Craiului (Königsstein) in Siebenbürgen. (Foto: Diana Stănescu)

Beides. Wenn man mit elf Jahren nach Deutschland kommt, tritt die alte Heimat erst einmal völlig in den Hintergrund, denn man ist mit anderem beschäftigt, mit der »Deutschwerdung« sozusagen. Irgendwann aber will man mal wissen, was sich in dem Land getan hat, in dem man geboren ist.
Und als ich 2006 erstmals nach Jahren wieder hingereist bin, war ich sehr überrascht, wie viel sich verändert hat und wie gut man durchs Land reisen konnte und, mehr denn je, kann. Zum Beispiel gibt es eine ganze Menge exzellenter Unterkünfte, die den internationalen Vergleich überhaupt nicht zu scheuen brauchen: vom städtischen schicken Boutique-Hotel bis zum restaurierten Herrenhaus auf dem Land, aber auch Dorf-Pensionen mit gutem Standard.

Eine kurvenreiche Bergstraße schlängelt sich durch eine grüne, felsige Landschaft hinab. Steile Berghänge prägen den Hintergrund, teilweise bedeckt mit Gras und Felsen. Das Bild vermittelt einen Eindruck von Höhe und einer anspruchsvollen Fahrt. Der Himmel ist leicht bewölkt und sorgt für ein weiches Licht.
Ein Traum, (nicht nur) für Motorradfahrer, ist die Transfagarasan (Transfogarascher Hochstraße), die sich durch die Karpaten schlängelt. (Foto: Diana Stănescu)

Auch die Sicherheit, ein Thema, auf das ich oft angesprochen werde, ist kein Problem. Nie habe ich mich bedroht gefühlt, nie wurde mir etwas gestohlen. Auch viele Leserzuschriften preisen den hohen »Wohlfühlfaktor« in Rumänien.
Insofern war die Arbeit am Reiseführer auch ein Anschreiben gegen Klischees. Es war mir ein Bedürfnis, zu zeigen: Es gibt auch ein anderes Rumänien, das in Deutschland nicht oder nur wenig in den Nachrichten vorkommt, das es aber wert ist, entdeckt zu werden!


5. Auf den knapp 700 Seiten Ihres Buches findet sich auch ein Universum an reisepraktischen Tipps. Haben Sie während der Recherche eigentlich noch Reiseziele entdecken können, die in anderen Rumänien-Reiseführern bislang ausgespart blieben?

Eine große Gruppe von Pelikanen steht am Ufer eines Sees oder Flusses. Einige fliegen in der Luft, andere stehen dicht gedrängt im Wasser. Im Hintergrund ist dichter grüner Bewuchs zu sehen. Das Bild vermittelt einen Eindruck von Vogelvielfalt und einer naturnahen Umgebung.
Grandioses Naturschauspiel. Mit etwas Glück sieht man im Donaudelta ganze Pelikanschwärme. (Foto: Diana Stănescu)

Ja, ein Bärenreservat für »ausgediente« Tanz-, Zirkus- und Zoobären in den Karpaten zum Bespiel. Oder das siebenbürgische malerische Dorf Malancrav (Malmkrog) mit seinem schön restaurierten Herrenhaus, in dem man wunderbar übernachten kann.
Spaß hatte ich auch an Entdeckungen, die so typisch für Rumänien sind, weil sie die Kontraste dieses Landes zeigen: In Urlati zum Beispiel prägen tiefgraue Plattenbauten das Ortsbild, aber es gibt ein sehr sehenswertes Landhaus aus dem 19. Jahrhundert, das eine reiche Familie erbaut und eingerichtet hat – ein Schmuckstück vornehm-ländlicher Wohnkultur aus längst vergangenen Zeiten, das heute als Museum geöffnet ist. Im gleichen Ort kann man außerdem in einem 4-Sterne-Landgut übernachten, und die Plattenbauten sind unwirklich weit weg.

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