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Teil 17: Die wirklich ersten Olympischen Spiele der Moderne.
Ein kleiner Abstecher ins exzentrische Herz von England.

Die Cotwolds gelten gemeinhin als »Herz von England«. Da passt es vielleicht ganz gut, dass diese liebenswerte wie exzentrische Gegend Großbritanniens auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblickt. In Chipping Campden, einer Ortschaft mit Sandsteinkaten und Villen, fanden die ersten Olympische Spiele der Moderne statt: im Gummistiefel-Schleudern, Schienbein-Treten, Sackrennen und der Erklimmung eines rutschigen Masts. Dorothea Martin, Autorin von »Nord- und Mittelengland« (1. Auflage 2014), hat sich das beliebte und wiederbelebte Spektakel angesehen.

Eine Nahaufnahme eines lächelnden Mannes in Schwarzweiß. Er trägt eine Brille und hat kurze, dunkle Haare. Der Hintergrund ist unscharf und lässt ihn als Hauptmotiv hervorstechen. Das Bild vermittelt einen freundlichen und zugänglichen Eindruck.


Chipping Campden ist eine der schönsten kleinen Ortschaften in den nördlichen Cotswolds. Rund 2000 Menschen leben hier in jahrhundertealten Sandsteinkaten und Villen, die einst die Heimat von Webern und Tuchhändlern waren. Im 19. Jahrhundert zog es die Kunsthandwerker der Arts and Crafts-Bewegung in dieses Städtchen, eine Richtung, die als Gegenentwurf zu maschinell hergestellten Alltagsgegenständen gelten wollte. Nichts deutete – und deutet – darauf hin, dass hier vor 400 Jahren die ersten Olympische Spiele der Moderne stattgefunden haben, 300 Jahre vor den Spielen in Athen! Welly-Wanging (Gummistiefel-Schleudern), Shin-Kicking (Schienbein-Treten mit eisenverstärkten Schuhspitzen), Sack Races (Sackrennen) und Climbing a slippery Pole (einen rutschigen Mast erklimmen) heißen die absurdesten Disziplinen, in denen die Teilnehmer der Olympischen Spiele der Cotswolds gegeneinander antreten.


Todesopfer und Trophäen

Ein Mann in violetter Sportbekleidung wirft einen blauen Eimer über seine Schulter. Er nimmt an einem Wettbewerb teil, bei dem Teilnehmer mit Eimern voller Wasser rennen. Im Hintergrund sind Zuschauer auf einer grünen Wiese zu sehen. Das Bild fängt die Dynamik und den Spaß des Wettkampfs ein.
Es geht um nichts weniger als eine Trophäe (Foto: Grace Taylor)

Im Jahre 1612 hat ein Rechtsanwalt namens Robert Dover aus Chipping Campden dieses unterhaltsame Spektakel mit der Unterstützung von König James gegründet. Sportliche Ertüchtigung und die Zurschaustellung von Kraft und Ausdauer waren gut für die Landesverteidigung, Brot und volksnahe Spiele wurden noch jedem Monarchen gedankt. Fast dreihundert Jahre lang erfreuten sich die Wettbewerbe bei Einheimischen und Angereisten so großer Beliebtheit, dass es zwischen den enthusiastischen Teilnehmern sogar zu Ausschreitungen mit einem Todesopfer kam und der Wettbewerb Mitte des 19. Jahrhunderts verboten wurde.

Sackbarrenrennen im Freien: Mehrere Personen springen in weißen Säcken über eine grüne Wiese. Im Hintergrund sind Zuschauer auf einer Tribüne zu sehen. Die Bewegung der Springer ist durch die Belichtungszeit sichtbar, was einen dynamischen Eindruck erweckt. Es handelt sich um ein fröhliches und sportliches Ereignis.
Höher, weiter, schneller – Sackhüpfen bei den Olimpicks (Foto: Grace Taylor)
Vier junge Männer stehen feucht und jubelnd vor einer Ziellinie. Sie haben ihre Arme in die Luft gereckt und wirken erschöpft, aber glücklich. Im Vordergrund ist eine Tafel mit den Nummern von Rennen zu sehen. Der Hintergrund zeigt eine bewaldete Landschaft im leicht trüben Licht.
Die Zurschaustellung von Kraft diente auch der Landesverteidigung (Foto: Grace Taylor)

1951 belebte man die »Olimpicks« wieder, erstaunlicherweise mit Unterstützung der British Olympic Association, und bis heute sind viele der alten Sportarten dabei. Der Schauplatz ist Dover’s Hill, ein natürliches Amphitheater am westlichen Stadtrand von Chipping Campden, das heute dem National Trust gehört und jedes Jahr Anfang Juni bespielt wird. Zur Eröffnung reitet ein Schauspieler verkleidet als Robert Dover zu Fanfaren, Kanonensalven und Jubelbezeugungen in das Theater ein – vor Tausenden von Zuschauern. Zu gewinnen gibt es für die Champions zwar nicht viel, sieht man einmal von Trophäen und Medaillen ab, dafür lässt man das sportliche Wochenende mit Europas größtem Fackelumzug, einem Feuerwerk und feuchtfröhlichem Tanzfestival zu Ende gehen. Zahlreiche Informationen finden Sie unter der pfiffig designten Seite www.olimpickgames.co.uk. Der nächste Termin des sehr eigenwilligen und sehr spaßigen Spektakels ist der 29. Mai 2015.


Eine Competition im Grimassieren und Lügen

Freunde exzentrischer Veranstaltungen sollten sich auch den Nordwesten Englands vormerken. In Egremont bei Whitehaven werden im September zur »World Gurning Competition« Grimassen geschnitten (www.egremontcrabfair.com), und im Bridge Inn in Stanton Bridge im Lake District findet jeden November die »World’s Biggest Liar Competition« statt, der weltgrößte Lügenwettbewerb (www.santonbridgeinn.com).

Weitere skurrile und ganz handfeste Historien und natürlich jede Menge reisepraktische Tipps finden Sie im Reiseführer »Nord- und Mittelengland« von Dorothea Martin.

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