Abseits der Routen

Teil 44: Berlin
Kleine Street-Art-Tour durch Kreuzberg

Unser Berliner Autoren-Duo Gabriele Tröger und Michael Bussmann, das den gerade in 7. Auflage neu erschienenen Berlin-Reiseführer geschrieben hat, nimmt Sie mit auf eine Tour durch Kreuzberg, die zu beeindruckenden urbanen Kunstwerken führt.

Autorin Gabriele Tröger<br>
Autorin Gabriele Tröger
Autor Michael Bussmann<br>
Autor Michael Bussmann

Street-Art und Murals haben in Berlin Tradition. Immerhin gab es in der Stadt einst eine kilometerlange Mauer, die als Megamalblock zum Üben und Experimentieren dienen konnte. Heute ist Berlin ein internationaler Place to be in Sachen urbane Mauerkunst. Street-Art-Künstler aus der ganzen Welt werden geladen, um Brandwände mit riesigen Murals zu schmücken. Manche Künstler lassen sich gar dauerhaft in Berlin nieder. In Schöneberg gibt es mit dem Urban Nation ein Museum für Street-Art. Dort und anderswo in der Stadt sieht man Touristen in Grüppchen Street-Art-Experten hinterherspazieren. Neulingen in Sachen Street-Art in Berlin empfehlen wir, in Kreuzberg zu starten. Dort treffen herausragende Murals auf einen kunterbunten Multikulti-schräge-Vögel-Mix, es gibt immer etwas zu gucken – egal ob an Wänden oder auf der Straße.

Der Schriftzug "Nach dem Regen kommt die Sonne" von den Berliner Kidz ziert die Hauswand
An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken – Foto: Michael Bussmann

Vom Schlesischen Tor in die Oranienstraße

Ein guter Ausgangspunkt für eine kleine Street-Art-Tour durch Kreuzberg ist der U-Bahnhof Schlesisches Tor. Von dort sieht man schon einen großen gelben Kopf von der Hauswand blicken. Die Arbeit an der Oppelner Straße 3 im Wrangelkiez stammt von den brasilianischen Zwillingen Os Gêmeos. Figuren mit gelben Gesichtern sind das Markenzeichen der Brüder, die zu den bedeutendsten Street-Art-Künstlern der Welt gehören. Das Mural ist schon älteren Datums, entstand 2005.

Das Markenzeichen der brasilianischen Zwillinge Os Gêmeos sind Fguren mit gelben Gesichtern
Ein großer gelber Kopf als Markenzeichen – Foto: Michael Bussmann

Weiter geht es in die Oranienstraße, wo an der Ecke zur Manteuffelstraße das Kult-Mural „Nature Morte“ des belgischen Künstlers ROA auffällt: Tote Tiere hängen hier vom Dach. Tierkadaver sind das Markenzeichen des Künstlers.

Das Kult-Mural „Nature Morte“ des belgischen Künstlers ROA
Tote Tiere fallen auf – Foto: Michael Bussmann

Schon gefälliger ist der „Astronaut Cosmonaut“ an der Ecke Mariannenstraße/Skalitzer des Franzosen Victor Ash. Die monumentale, 22 mal 14 Meter große Arbeit thematisiert den Kalten Krieg.

„Astronaut Cosmonaut“ an der Ecke Mariannenstraße/Skalitzer des Franzosen Victor Ash
Nicht ganz schwerelos – Foto: Michael Bussmann

Entlang der Hochbahn zum Kotti

Ein kurzer Abstecher gen Süden führt Sie in die Manteuffelstraße. An Hausnummer 70 erblickt man einen grimmig dreinblickenden, faltigen Mann mit Vogel auf der Schulter. Das riesige, sehr realistische Gemälde hat Smug One hinterlassen. Der wirkliche Name des australischen Künstlers, der in Schottland lebt, ist unbekannt.

Das realisitsche Mural ist von Künstler Smug One
Realismus des Künstlers Smug One – Foto: Michael Bussmann

Nach diesem Abstecher geht es parallel zur Hochbahn weiter gen Westen. Dabei passiert man den „Kotti“, die ziemlich räudige Ecke um den U-Bahnhof Kottbusser Tor. Hier sollte man einmal den Blick nach oben schweifen lassen. An vielen der Wohnblocks aus den 1970er-Jahren prangen vertikale, kalligraphisch wirkende Schriftsäulen. Sie gehen auf die Berlin Kidz zurück, rotzfreche Street-Art-Rebellen, zu denen auch Trainsurfer, Parkourläufer und Stadtguerillas gehören. Filme wurden schon über sie gedreht. Gefühlt gibt es kaum ein Gebäude in Berlin, das vor ihnen sicher ist. Je höher, desto besser. Je gefährlicher das Abseilen, desto cooler.

An vielen der Wohnblocks aus den 1970er-Jahren prangen vertikale, kalligraphisch wirkende Schriftsäulen von den Berliner Kidz
Kaum ein Gebäude ist vor den Berlin Kidz sicher – Foto: Michael Bussmann

Gitschiner Straße

Immer mit der Hochbahn im Blick spaziert man weiter nach Westen zu einem der schönsten Berliner Murals und zu einem der imposantesten, das wir europaweit bisher so gesehen haben: „Daphne und Apollon“ an der tristen Wand eines Wohnblocks, an dem die gelbe U-Bahn in regelmäßigen Abständen vorbeirattert (Gitschiner Str. 59). Das Mega-Mural ist eine Gemeinschaftsarbeit des Argentiniers Francisco Bosoletti und des Kanadiers Young Jarus.

An „Daphne und Apollon“ rattert die gelbe U-Bahn in regelmäßigen Abständen vorbei
Griechische Mythologie an der Häuserwand – Foto: Michael Bussmann

Nur wenige Schritte weiter (Gitschiner Str. 64) sieht man das Mural „Brave Wall“ aus dem Jahr 2021. Es stammt von der heute in Berlin lebenden Russin Katerina Voronina – Murals von Frauen sind in der männerdominierten Street-Art-Szene übrigens rar. Das Mural erinnert an die Afrobrasilianerin Marielle Franco. Die offen lesbisch lebende Politikerin setzte sich für die Favela-Bewohner Rio de Janeiros ein und wurde 2018 im Alter von 38 Jahren erschossen.

Das Mural „Brave Wall“ aus dem Jahr 2021 stammt von der heute in Berlin lebenden Russin Katerina Voronina
Murals von Frauen sind rar – Foto: Michael Bussmann

Mehr Street-Art in Berlin: Auf seinem Blog hierdadort.de stellt das Autoren-Duo mehrere ausführliche Street-Art-Touren durch Berlin vor, für die weder im Artikel hier noch im gedruckten Reiseführer Platz ist. Geführte Street-Art-Touren durch Friedrichshain und Kreuzberg bietet Alternative Berlin Tours an. Und ob Street-Art in ein Museum passt, kann man sich bei einem Besuch des Museum for Urban Contemporary Art in Schöneberg überlegen.

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