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Teil 49: München
Die Münchner Bierzwerge

Dass in München gerne und viel Bier getrunken wird, ist hinlänglich bekannt. Die kleineren, unabhängigen Brauereien jenseits von Augustiner, Paulaner und Co., die sich in der Stadt zu behaupten versuchen, kennt vielleicht nicht jeder. Achim Wigand, Autor unseres München-Reiseführers und profunder Kenner der Stadt (und ihrer Bierlandschaft), bricht eine Lanze für die kleinen Brauereibetriebe und -gaststätten Münchens, die Münchner Bierzwerge …

Ein Mann mittleren Alters mit grauen Haaren und Brille lächelt in die Kamera. Er trägt eine schwarze Jacke über einem schwarzen T-Shirt und ein kariertes Fleece. Im Hintergrund ist ein Gebäude mit Fenstern und Bäumen zu sehen. Das Foto wirkt wie ein lockeres Porträt im Freien.
Autor Achim Wigand

Eine Stadt auf dem Trockenen? Zu wenig Bier in München? Es schien böse zu stehen um die bayrische Ursuppe in der Hauptstadt, anders war kaum zu erklären, warum vor ungefähr zehn Jahren ein Bier-Start-up nach dem anderen in Hinterhöfen und Gewerbegebieten das Feuer unter den Sudkesseln anzuschüren begann und seine höchst individuellen Bierkreationen in den Münchner Biermarkt pumpte. Im Spätherbst 2025 ist davon gar nicht so viel übrig geblieben, etliche Newcomer haben ihre Gärtätigkeit eingestellt, und am Münchner Biermarkt hat sich sowieso nichts geändert – die Großen Sechs füllen weiterhin die Maßkrüge und Willybecher der Gasthäuser, Bierhallen und Boazn der Stadt, und kein Bürger dieser Stadt, der heute den Malzduft in den Straßen riechen kann, wird das jemals anders erleben.

Das verwaiste Juwel am Stadtrand Bräustübl der Forschungsbrauerei – Foto: Achim Wigand
Das verwaiste Juwel am Stadtrand Bräustübl der Forschungsbrauerei – Foto: Achim Wigand

Schon ein bisschen schade, aber warum soll es den Brauern anders gehen als jedem anderen Opfer des Münchener Immobilienmarkts: Die ganzen flüssigen Handwerkspretiosen lassen sich vor allem auf dem heimischen Sofa, am Isarufer und an den wenigen warmen Sommerabenden auf den Plätzen der Stadt genießen (aber leise sein, der Münchner beißt doch sehr zeitig in die Bettwurst und reagiert auf das Ploppen von Kronkorken vor dem Schlafzimmerfenster ausgesprochen grantig). Zu einem Betrieb mit Schanklizenz, womöglich noch mit Schweinsbratenoption, reicht es für kaum einen Craft-Brauer, denn keine der allesamt seit Jahrhunderten aktiven Bierfabriken würde jemals Fremdsaft durch die Zapfhähne ihrer Gastroimmobilien laufen lassen. Ich weiß da keine genauen Zahlen, und die sind vermutlich auch ziemlich schwer herauszubekommen, aber wenn die Großbrauereien nicht zu den Top-3-Grundbesitzern in München gehören (nur Stadt und katholische Kirche kontrollieren noch größere Latifundien), trinke ich ab morgen nur noch Ziegenmilch.

Die Jungen Wilden mit neuer Heimat – Foto: Achim Wigand
Die Jungen Wilden mit neuer Heimat – Foto: Achim Wigand

Wo also kann der geneigte Zecher seinen Hintern auf eine glatt gehobelte Wirtshausbank kuscheln, die Karte mit den handgefertigten Brauspezialitäten studieren und dabei nicht verhungern? Ohne zumindest ein Fahrrad wird das schwierig, als zumindest altstadtnah gilt aber wenigstens das Giesinger Bräustüberl auf den lichten Höhen des Giesinger Bergs.

20.000 Hekto/Jahr: Der Riese unter den Zwergen – Foto: Achim Wigand
20.000 Hekto/Jahr: Der Riese unter den Zwergen – Foto: Achim Wigand

Die tapferen Kämpfer um die Münchner Biervielfalt sind weit gekommen, aus einem Garagenverkauf in einem versteckten Hinterhof ist mittlerweile ein solider Mittelstandsbetrieb geworden, und da die Flüssigrundlage der Produktion aus einem in den Münchner Trias reichenden Tiefbrunnen stammt, haben die Erzeugnisse der Giesinger Brauerei auch den gelb-blauen Stern auf dem Etikett, das sie als Münchner Bier g.g.A. (geschützte geografische Angabe) ausweist. Damit dürfte die Crew um Steffen Marx eigentlich auch das Hochamt des Münchner Biers, das Oktoberfest, beschicken, aber mei, das ist dann schon wieder eine ganz eigene Geschichte.

Bier im Schatten des Heilig-Kreuz-Gebirges – Foto: Achim Wigand
Bier im Schatten des Heilig-Kreuz-Gebirges – Foto: Achim Wigand

Bis vor Kurzem konnte der Gasthausbesuch auch noch mit einer Brauereibesichtigung verbunden werden, aber im Zuge der Expansion ist die Brautätigkeit in die Lerchenau hinter dem Olympiagelände verlagert worden. Da darf auch zugeschaut werden, die Brauereiführungen sind lehrreich und lustig, der Ort aber doch etwas abgelegen.

Hinter die Kulissen des Brauens – Foto: Achim Wigand
Hinter die Kulissen des Brauens – Foto: Achim Wigand

Das gilt auch und ganz besonders für die dritte Privat-Brauerei mit Tiefbrunnen (die erste ist natürlich die gesegnete Augustiner-Brauerei, aber mit dem Gründungsdatum 1328 und einem jährlichen Ausstoß von 1,5 Mio. Hektolitern fällt der grüne Mönch hier doch etwas aus dem Beobachtungsrahmen), die Münchner-Kindl-Brauerei.

Münchner Bier: Nur gut mit eigenem Pferd – Foto: Achim Wigand
Münchner Bier: Nur gut mit eigenem Pferd – Foto: Achim Wigand

Die liegt gerade so noch auf dem Münchner Stadtgebiet im Fasangarten, und so recht klar ist mir noch nicht geworden, wie man sich da StVO-konform hin- und zurückbegeben soll. Ist aber derzeit auch egal, denn so gerne ich eine Eloge auf die ambitionierte Wiedergründung – bereits im 19. Jh. gab es eine Brauerei dieses Namens, die dann aber im Zuge der Marktmonopolisierung in den 1920ern vom Löwenbräu geschluckt wurde – verfasst hätte, geht es in dem echt schmucken Backsteinbau im tiefen Süden nicht recht voran. Meine gut informierten Quellen raunen von einer Pleite beim Brautechnik-Lieferanten. Ende November 2025 ist Baustellenbesichtigung mit Bierverkostung.

Noch Baustelle, aber trotzdem schon schick: Die Münchner Kindl Brauerei – Foto: Achim Wigand
Noch Baustelle, aber trotzdem schon schick: Die Münchner Kindl Brauerei – Foto: Achim Wigand

Am Ziel sind sie hingegen schon länger beim Haderner Bräu. Die haben zwar kein tiefes Loch gebohrt, aber dafür sind Hopfen, Malz und Hefe biozertifiziert, und der Neubau im ehemaligen Bauernhof ist richtig schick geworden. Auch hier freuen sich die Brauer über interessierte Besucher und führen um die Kessel, und das Bier schäumt direkt aus der Steigleitung in die Gläser der hübschen Wirtsräume. Es gibt auch was zu essen, und warum strömen die ökologisch bewussten Bierfexe nicht in Divisionsstärke in den äußersten Westen? Genau, wegen „äußerst“ – 35 Minuten inklusive eines längeren Fußwegs sind es mindestens aus der Innenstadt, und auch hier ist eine Anfahrt mit dem Auto keine so gute Idee.

Bio-Braukultur im Bauernhaus: In der Gaststube des Haderner Bräu – Foto: Achim Wigand
Bio-Braukultur im Bauernhaus: In der Gaststube des Haderner Bräu – Foto: Achim Wigand

Ein hübscher Ausflug war auch immer die Odyssee in die Forschungsbrauerei in Perlach, wo schon seit 1930 Bier zu natürlich rein wissenschaftlichen Zwecken gebraut wurde. 2021 übernahmen die Kreativlinge von Hopfenhäcker die Produktionsstätte, und man konnte im Biergarten in der gar nicht so fernen Ferne die Alpen leuchten sehen. An kalten Tagen war es in der so originellen wie historischen Gaststube mindestens so gemütlich, aber je nun: Derzeit findet sich kein Pächter für die Braugaststätte, und so schauen wir traurig in einem gekachelten Raum in unser Paulaner und träumen weiter von der großen Münchner Biervielfalt jenseits der Diktatur des immer gleichen Münchner Hellen.

Modernistische Bierkirche fast im Grünen – Foto: Achim Wigand
Modernistische Bierkirche fast im Grünen – Foto: Achim Wigand

Giesinger Bräustüberl: Martin-Luther-Str. 2, U2 Silberhornstr., Di–Sa 16–23 Uhr; Brauerei: Detmoldstr. 40

Münchner Kindl: Tegernseer Landstr. 337

Haderner Bräu: Großhaderner Str. 56a, U6 Haderner Stern, dann zu Fuß, Mi/Do 18–22, Fr 15–22, Sa 10–16 Uhr

Forschungsbrauerei: Unterhachinger Str. 78

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