Teil 48: Neuseeland
Das King Country
Die hügelige und waldreiche Region im Westen der Nordinsel, grob zu verorten zwischen Hamilton im Norden und dem Whanganui-Fluss im Süden, besitzt einige wenige Besuchermagnete, ist ansonsten jedoch touristisch überraschend wenig frequentiert. Dabei gibt es dort neben den Touristen-Hotspots beeindruckende Höhlen, atemberaubende Wasserfälle und versteckte Strände, die es locker mit ihren bekannteren Pendants aufnehmen können. Jenny Menzel, die die aktuelle Auflage unseres Neuseeland-Reiseführers überarbeitet hat, hat das King Country ausgiebig erkundet und nimmt uns mit zu ihren Lieblingsorten.
Das King Country auf der Nordinsel Neuseelands hat zwei Gesichter: Tausende von Touristen besuchen die Waitomo Glowworm Caves, bestaunen die Tropfsteine und bewundern den »Sternenhimmel unter der Erde«, den Mückenlarven mit ihren leuchtenden Klebefäden an der Höhlendecke aufleuchten lassen – und dann fahren sie einfach wieder weg, weiter in den Tongariro National Park, an die Surf-Strände von Raglan oder zum Lake Taupo. Schon wenige Minuten vom wuseligen Eingang der Waitomo Glowworm Caves entfernt ist kaum noch jemand zu sehen, wenn man zur Ruakuri Cave kommt oder auf dem Ruakuri Bushwalk den dichten Wald ringsherum erkundet, mit kleinen Höhlen, tiefen Schluchten und abendlicher Glowworm-Show (kostenlos!).
Auch die kleine Aranui Cave sieht nur einen Bruchteil der Besucher; zugegeben, hier gibt es mangels Höhlenfluss auch keine Glowworms zu sehen, dafür fantastische Tropfsteinformationen und mit etwas Glück die seltene Höhlen-Weta.
Warum nur bleibt keiner da und schaut sich das idyllische King Country näher an? Es ist wirklich unverständlich, denn hier verbirgt sich eine ganze Reihe an Naturschönheiten und regelrechten Naturwundern – und verbergen ist ein gutes Stichwort, denn um das King Country kennenzulernen, muss man lange Wege auf sich nehmen. Schmale, kurvige Straßen führen von Waitomo aus durch Weideland und dichte Wälder nach Westen in Richtung Tasman Sea – zu einer Küste von wilder Schönheit, die kaum zugänglich ist.
Drei Roadtrips durch das King Country
Die bekannteste Roadtrip-Route – Neuseeländer nennen das »tiki tour« – führt von Waitomo über die Te Anga Road, an der man immer wieder anhalten und kleine Attraktionen bewundern kann, keine zehn Minuten vom Straßenrand entfernt, nach Westen.
Für die knapp 45 km zur Küste braucht man eine ganze Weile: Unterwegs muss man schließlich den beeindruckenden Kalkstein-Felsenbogen im Mangapohue Scenic Reserve bewundern, die kleine Piripiri Cave erkunden und sich von den 35 m tief herabfallenden Marokopa Falls durchnässen lassen – angeblich die schönsten Wasserfälle Neuseelands.
In Marokopa erreicht man schließlich das Meer: Am Strand mit seinem tiefschwarz glitzernden, eisenhaltigen Sand (er ist tatsächlich magnetisch!) ragt bei klarer Sicht der Vulkankegel des Mount Taranaki im Süden auf. Folgt man der Küste dorthin, kommt man in Waikawau an einem Strand vorbei, der nur durch einen Tunnel zu erreichen ist – 1911 von drei Männern mit Schaufel und Spitzhacke in den Sandstein gegraben, die für ihre Schafherden eine kürzere Route suchten.
Ganz anders spektakulär ist der weite, schwarzsandige Strand in Kawhia, wo der weite Kawhia Harbour die Nordgrenze des King Country markiert: Hier verbergen sich heiße Quellen, die man bei Ebbe unter dem Sand freilegen kann – ein eigenes Spa am menschenleeren Strand, so ganz anders als am überfüllten Hot Water Beach auf der Coromandel Peninsula.
Eine noch stillere Route führt von Waitomo nach Piopio und weiter auf der Mangaotaki Road zu den Denize Bluffs; hier führt die Denize-Familie »Hobbit«-Fans über ihre Farm, die mehrfach als Drehort für Mittelerde-Szenen diente. Weiter nordwestlich rauschen die Waitanguru Falls in einer versteckten Schlucht zu Tal.
… und warum heißt es überhaupt King Country?
Das müssen wir natürlich auch noch erklären: In den 1840er-Jahren, als die Maori sich gegen den Landraub der Engländer wehrten, wählten sie unter ihren Häuptlingen einen König – eine Person, die ebenbürtig mit der englischen Königin Victoria verhandeln könnte. Die Engländer »not amused«: Sie starteten ab 1863 eine Invasion der Waikato-Region auf der Nordinsel. In den sogenannten Neuseeland-Kriegen hatten die Maori kein Glück: Bald musste sich König Tawhiao mit seinen letzten Getreuen zurückziehen. Er kam beim Stamm der Ngāti Maniapoto unter, wo er lange Zeit im Exil lebte. Den Pākehā, den europäischen Siedlern, drohte er, jeden zu töten, der den Grenzfluss Puniu überschritt – und folglich ließ man diese Region, das »King Country«, lieber in Ruhe. Noch heute gibt es zwischen Raglan und Taumarunui, der Westküste und dem Tongariro National Park kaum Siedlungen.
Ach ja: Einen Maori-König gibt es immer noch, auch wenn er nur repräsentative Funktion hat; aktuell ist es Königin Ngā wai hono i te pō, die Tochter des vorigen Königs Tuheitia, die im Alter von 27 Jahren den Thron bestiegen hat. Dieser steht allerdings nicht im King Country, sondern in Ngāruawāhia – einer Kleinstadt etwas nördlich von Hamilton.
Zur Autorin:
Jenny Menzel, Neuseeland-Fan seit dem ersten »Herr der Ringe«-Film,
erkundet das Land der langen weißen Wolke am liebsten zusammen mit ihrer
Familie im Camper. Seit 2010 schreibt sie zusammen mit ihrem Mann einen
Neuseeland-Reiseblog für Eltern, die es ihr nachtun wollen (weltwunderer.de).
Jenny Menzel lebt und arbeitet in Dresden und hat schon zahlreiche
Neuseeland-Reiseführer geschrieben.
Für den Michael Müller Verlag hat sie den Neuseeland-Reiseführer aktualisiert.