On Tour

Muss es in Matera eigentlich immer regnen?

Reisebuchautoren haben es nicht leicht. Vor allem, wenn ihnen das Wetter einen Strich durch die (Reise)Rechnung macht. In Matera hat es Andreas Haller erwischt, der Regen ließ eine ernste Recherche beinahe nicht mehr zu. Dabei war der Reiseprofi extra in die Nachbarprovinz Basilikata gedüst, um für die Neuauflage seines »Apulien«-Bandes (7. Auflage 2012) ein geniales Ausflugsziel zu recherchieren: die Höhlenhäuser, seit 1993 sogar UNESCO-Weltkulturerbe. Wie es doch noch geklappt hat, erfahren Sie süffisant und ironisch vom Autor selbst: eine Regenreportage.


Regen und Romantik

Reiseautoren werden wegen ihres Berufes eher selten bedauert. Wahrscheinlich zu Recht, denn wer in faszinierende Länder und schicke Gegenden reist und dafür auch noch bezahlt wird, der verdient in der Regel kein Mitgefühl. Mag der Romantikfaktor auf unseren Arbeitseinsätzen bei flüchtigem Hinsehen noch so hoch sein, bei eingehender Beschäftigung mit dem, was wir tatsächlich unterwegs treiben (und nicht treiben), verschwindet dieser ominöse Faktor zuweilen.

Ein Beispiel gefällig? Gerne! Wer schon einmal im strömenden Dauerregen für ein Reisehandbuch recherchiert hat, der kann sich ziemlich genau vorstellen, was Dante Alighieri im Sinn gehabt haben könnte, als er in der »Göttlichen Komödie« den dritten Höllenkreis beschrieb. Regen auf Recherche-Reisen ist nämlich schlicht eine Riesenkacke. Das GPS-Gerät säuft ab, der Stadtplan in der Hand weicht durch, das Wasser läuft in den Kragen, derweil man sich für eine kurze Notiz wie jemand, der ganz sicher was zu verbergen hat, in irgendeinen zugigen Hauseingang verdrückt, während Passanten bezeichnende Blicke auf einen werfen …


Kalamitäten in Matera

Als ich das erste Mal in Matera war, regnete es. Matera ist eine der faszinierendsten Destinationen Süditaliens. Matera: Stadt der Höhlenhäuser (»Sassi«) und einstiges Symbol hoffnungsloser Mezzogiorno-Rückständigkeit. Matera: Königin der Schluchtenstädte und heute ein hippes UNESCO-Welterbe. Matera: abendländische City of Joy, die sowohl Carlo Levi (»Christus kam nur bis Eboli«) als auch Mel Gibson (»Die Passion Christi«) inspirierte. Für einen Autor, der über Apulien schreibt, besitzt Matera eigentlich nur einen Schönheitsfehler: Matera liegt gar nicht in Apulien, sondern in der Nachbarprovinz Basilikata. Weil aber die Regionengrenze einerseits nur unweit der Stadt verläuft und sich Reisende andererseits nur dann um politische Grenzen scheren, wenn sie sich auf die individuelle Reisefreiheit auswirken, spricht im Grunde nichts dagegen, wenn der betreffende Autor dieser Stadt mal einen Besuch abstattet.

In meinen Fall hätte ich mir die erste Stippvisite jedoch sparen können. Denn es regnete so heftig, dass an eine solide Recherche kaum zu denken war. Anstatt mich für die Wandfresken in der Grottenkirche Santa Lucia alle Malve zu begeistern, saß ich in irgendeinem Café herum und nippte freudlos am Cappuccino.


Wiedersehen mit Matera

Drei Jahre später bereiste ich Apulien erneut, um für die Neuauflage 2012 zu recherchieren. Ganz besonders scharf war ich auf Matera, schließlich gab es für mich dort noch einiges nachzuholen. Gegen Ende der Recherche-Tour reiste ich vom Salento aus in die Basilikata, schon hob sich der Stadthügel von Matera vor meinen Augen am Horizont ab. Um es kurz zu machen: Mein Besuch geriet zum Fiasko. Es regnete quasi pausenlos Katzen und Hunde, und bei Sichtweiten um zwanzig Meter war es mir beinahe unmöglich, ein bestimmtes Restaurant anzusteuern, zumal die Orientierung im Gassengewirr der Sassi sogar bei perfekter Witterung alles andere als einfach ist.

Ich glaube nicht an Magie. Ich behaupte daher auch nicht, dass es immer dann regnet, wenn ich in Matera bin. Lediglich zwei Besuche meinerseits sind schlicht statistisch zu wenig, um daraus irgendwelche Rückschlüsse unter Einbeziehung höherer Mächte zu ziehen (obwohl das gerade in Süditalien recht häufig geschieht). Allerdings würde ich Matera wirklich ganz gerne mal kennenlernen. Dass die Stadt überaus sehenswert sein soll, darüber muss ich wohl vor Jahren mal in einem Reiseführer gelesen haben …


Jenseits von Magie

Trotz aller Hindernisse wird Matera nach drei Jahren erstmals wieder ausführlich in der Neuauflage des Apulien-Reiseführers besprochen. Wie das? Schließlich hatte ich doch noch Glück und die Wolkendecke riss widererwartend auf. Auf acht Seiten mit Stadtplan sind es fünf Übernachtungstipps, neun Restaurantempfehlungen sowie ausführliche Hintergrundinfos zu den Sassi geworden. Ich hoffe auf noch mehr Infos für 2015 …
Als Autor bleibt mir den werten Lesern beim Besuch dieser faszinierenden Stadt bis dahin nur eines zu wünschen: besseres Wetter!

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