Reportage

Entdeckerlaune und Vertrauen in die eigenen Fahrkünste -
Ecuadors Route 66

Ein Artikel von Volker Feser, dem Autor unseres Reisehandbuchs zu Ecuador (3. Auflage 2005). Der Südamerika-Verrückte berichtet in der 14. Ausgabe unseres Newsletters über die ungezügelten Verkehrsverhältnisse auf der »Panamericana«, wo das Benzin zwar billig ist, doch die Herausforderungen ihren Preis kosten …


Das ekuadorianische Straßennetz gleicht in vielerlei Hinsicht der facettenreichen Geographie des Landes. Jede Art von Routenzustand scheint vorhanden zu sein, kein Schlagloch gleicht dem anderen und so mancher Abschnitt kann auch dem westeuropäischen Vergleich standhalten. Vor allem die »Panamericana« – die Humboldtsche »Avenida der Vulkane« – hat sich in den letzten Jahren zu einer teils sogar vierspurigen Schnellstraße entwickelt. Selbst die bislang vernachlässigten, mitunter herrlich verkehrsfreien Abschnitte (zw. Ambato, Riobamba, Chunchi und Zhud in Richtung Süden) wurden frisch asphaltiert, so dass man auf der gut gekennzeichneten »Carretera« zügig vorankommt. Die Andenlandschaft kann somit auch vom Fahrer genossen werden, vorausgesetzt der dichte Nebel bleibt aus.

Je weiter nach Süden – um Cuenca und Loja – desto weniger gut wird der Belag, obwohl sich zumindest auf Teilabschnitten auch dort etwas getan hat. Von Vilcabamba bis zum abgelegenen peruanischen Grenzübergang von La Balsa wird es dann sehr abenteuerlich. Ein Wagen ohne große Bodenfreiheit hat hier keine Chance mehr. Selbst kompakte 4-x-4-Fahrzeuge ohne soliden Unterbau könnten sich auf diesen landschaftlich malerischen 150 Kilometern bis zur Grenze zu Grunde richten. Der letzte Abschnitt zwischen Zumba und La Balsa ist nichts weiter als ein mit Kratern übersäter Feldweg. Walter Röhrl, unlängst zum »Ralley-Fahrer des Millenniums« gewählt, würde vor Neid erblassen. Mein persönlicher Rekord mit einem geliehenen Toyota RAV – un »Toyotita«, ein »tödliches Toyotlein« – waren ein Riss im Chassis, zerschmetterte Radaufhängungen, eine dem Erdboden gleichgemachte Federung sowie eine blockierte Alarmanlage unter einem frischen Erdrutsch aus Schlamm und Steinen, während immer wieder lose Brocken herunterkrachten (schnell noch ein letztes Foto für meine Webseite www.salsareisen.com). Zusätzlich gab es zwei Platten und ein totgefahrenes Huhn zwischen aufgebrachten Dorfbewohnern. Dabei hatte ich wirklich darauf geachtet, wenigstens das Federvieh zu verschonen. Lediglich der japanische Autohersteller sollte ein vernichtendes Testurteil erhalten.

Die »Panamericana« mit ihren verlockenden Ab- und Verzweigungen stellt für Selbstfahrer immer eine große Herausforderung dar. Der Lohn für all die Risiken sind Unabhängigkeit, Entdeckerlaune, Vertrauen in die eigenen Fahrkünste und billige Benzinpreise. Die Galone »Extra« (3,8 Liter) kostet etwa 1,5 USD. Nachteilig wirken sich rücksichtslose Verkehrsteilnehmer aus wie z. B. mörderische Busfahrer oder betrunkene »Pick-Up-Piloten«, die hier leider gar nicht so selten sind, wie man meinen könnte. Es wird sowohl links als auch rechts überholt, meist ohne Blinkzeichen und selbst vor Haarnadelkurven. Manchmal überholt auch ein drittes Fahrzeug ein anderes, dass gerade am Überholen ist. Im Falle eines Falles ist übrigens Fahrerflucht die Regel. Reifenflickwerkstätten (»Vulcanizadoras«) und schlingernde Bremsspuren verzieren hin- und wieder den Highway. Weniger vertreten sind dagegen Wegweiser, Leitplanken oder Katzenaugen. Tiefe Straßengräben und hohe Geschwindigkeitsbrecher – auch »Schlafende Polizisten« genannt – tauchen manchmal ganz heimtückisch und ohne jegliche Vorwarnung auf. Sie könnten aus jeder Achse Kleinholz machen. Nicht nur auf Nebenstrecken sind weggerissene Asphaltdecken, swimmingpoolgroße Schlaglöcher oder heruntergefallene Felsbrocken nichts Ungewöhnliches. Kühe, Esel, Hunde, Hühner, Gänse, Geier bis hin zu giftigen Grubenottern benutzen ebenso die Straße; letztere jedoch eher um Sonne zu tanken.

Von nächtlichen Fahrten wird strikt abgeraten! Da gehört die »Pana« den furchteinflößenden Trailern mit ihren aufmontierten Disko-Strahlern und Lok-Sirenen. Ein einsam lächelndes, am Wegrand winkendes Fräuleinwunder mit langen Beinen und knallroter Schleife im asphaltschwarzen Haar, könnte jedoch auch tagsüber eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Im Gebüsch dahinter verbergen sich vielleicht ein paar schwerbewaffnete Jungs. Übertriebenes Sicherheitsdenken bei Anhaltern ist aber fehl am Platze. Wer auf ein durchnässtes Schulkind, einen Greis mit einem quiekenden Ferkel unter Arm oder eine Machete schwingende Bauersfrau mit schlammbespritzten Gummistiefeln trifft und über einen freien Sitzplatz verfügt, sollte eine Mitfahrgelegenheit anbieten. Herzhafte Gespräche, gottesfürchtige Segenswünsche, angebotene Früchte oder auch nur ein dankbares Lächeln sind der Lohn. Selbst wenn dabei ein wenig Erdreich mit ins Wageninnere gelangen könnte, wird so die Abkapselung im klimatisierten Fahrzeug mit einer »panamerikanischen«, direkt aus dem Leben gegriffenen Anekdote, auf exotische Weise bereichert.


Informative Internetadresse:

Um schwierige Verkehrssituationen zu meistern, ist sicher der Reiseveranstalter »Salsa Reisen – Reisen durch Ecuador und Südamerika« eine gute Adresse: www.salsareisen.com

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