Reportage

Klaviere, Kaffee, Konfitüren

Wien singt und klingt. In die geschwungenen Fassaden möchte man am liebsten hineinbeißen. Und Mozart wird so sehr vermarktet, dass er sich wahrscheinlich im Grab herumdreht. Was nicht immer im Bewusstsein der Reisenden ist: drei Wiener Marken, die die Modernität der österreichischen Metropole leben. Selbstverständlich sind auch sie im Spannungsfeld von Musik und Kulinarik angesiedelt, wie unsere Wien-Expertin Annette Krus-Bonazza weiß.


Wien gilt als Welthauptstadt der Musik und ist berühmt für seine Kaffeehäuser. Deshalb werden dort schon lange Klaviere gebaut, Kaffeebohnen geröstet, Schokoladen gerührt, Marmeladen gekocht. Die Wiener Marken Bösendorfer und Manner, Meinl und Staud’s bürgen in Sachen Klaviere, Kekse, Kaffee und Konfitüren seit mehr als 100 Jahren für guten Ton, Geschmack und Qualität.


Flügel für den österreichischen Kaiser, den japanischen Tenno und den russischen Zaren

Cafe Central – der Mercedes unter den Kaffeehäusern (Foto: Annette Krus-Bonazza)
Cafe Central – der Mercedes unter den Kaffeehäusern (Foto: Annette Krus-Bonazza)

Als sich Ignaz Bösendorfer (1794-1859) 1828 als Klavierbauer selbstständig machte, waren in der Wahlheimat von Mozart, Haydn und Beethoven bereits 150 Handwerker in diesem Gewerbe registriert. Dennoch überzeugte der junge Unternehmer bald nicht nur den Wiener Hof. Nicht zuletzt, weil seine robust gebauten und klangvoluminösen Klaviere sogar dem virtuosen Ungestüm von Franz Liszt (1811-1886) widerstanden. Bekanntlich zerlegte der österreichisch-ungarische Pianist und Komponist auf seinen Europatourneen mehrere Flügel.
Bösendorfers Sohn Ludwig mehrte Ruhm und Ansehen der Manufaktur, die 1870 ein Fabrikgebäude in Wien-Wieden bezog. Er ließ sich von namhaften Komponisten, Architekten und Möbeldesignern beraten und belieferte den österreichischen Kaiser, japanischen Tenno und russischen Zaren. Als er 1919 kinderlos starb, geriet das Familienunternehmen in viele fremde Hände und ins wirtschaftliche Hintertreffen. Seit einem Brand in Bösendorfers Holzlager im Kriegsjahr 1944 stieg Steinway, der amerikanische Konkurrent, zum Branchenprimus empor.
Dennoch steht der Name Bösendorfer bis heute für hochwertige Instrumente, die seit 1973 nicht mehr in Wien produziert werden. Seit 2007 sind sie eines der Aushängeschilder von Yamaha, seit Frühjahr 2010 residiert die Unternehmenszentrale 50 km südlich der österreichischen Kapitale. Die schönsten Stücke aus der Kollektion Bösendorfer, z. B. das um 1900 entwickelte und bis heute meistverkaufte Modell Imperial, sind zwar noch vielerorts in Wien zu hören, aber nur im »Bösendorfer Salon« des altehrwürdigen Musikvereinsgebäudes zu sehen und zu erstehen.


Der Global Player unter den Waffeln

Manner – eine der Wiener Weltmarken (Foto: Annette Krus-Bonazza)
Manner – eine der Wiener Weltmarken (Foto: Annette Krus-Bonazza)

Während Bösendorfer-Flügel international Furore machten, entschloss sich ein gewisser Josef Manner sein kleines Süßwarengeschäft am Stephansplatz aufzugeben und fortan selbst Schokolade zu produzieren. Nach ersten Versuchen in einem kleinen »Labor« im 5. gründete er im März 1890 die »Chocoladenfabrik Josef Manner« im 17. Bezirk (Hernals), die bis 1913 zum führenden Süßwarenunternehmen der österreichisch-ungarischen Monarchie aufstieg. Während Letztere da schon dem Untergang geweiht war, ging es mit der Firma Manner, die nach dem Motto »preiswert und gut« vorwiegend Tafelschokolade und »reinen Cacao« verkaufte, weiterhin steil bergauf. Sie hat heute zahlreiche Schokoladen- und Waffelspezialitäten im inzwischen international vermarkteten Sortiment.
Ihr Verkaufsschlager ist seit jeher die wahlweise mit Nuss-, Nougat-, Cappuccino- oder Zitronencreme bestrichene Manner-Schnitte. 1898 nahm man sie als »Neapolitaner Schnitte No. 239« in die Produktpalette auf. Sie besteht aus fünf Lagen mundgerecht geschnittener Waffeln und war ursprünglich mit einer Masse aus Haselnüssen – diese mussten zwingend aus Neapel stammen –, Zucker, Kokosfett und Kakaopulver gefüllt.
Unterdessen ist die Josef Manner & Comp. AG ein Global Player und hat mehrere andere Marken, z. B. Casali oder Napoli, unter Dach und Fach. Sie betreibt neben der Wiener noch zwei weitere (österreichische) Fabriken und seit wenigen Jahren ein rosa-blaues Geschäft am Stephansplatz, wo ihre süße Erfolgsgeschichte begann.


Im umstrittenen Zeichen des Mohren

Kaloriensünden en masse, eine Tortentheke in Wien (Foto: Annette Krus-Bonazza)
Kaloriensünden en masse, eine Tortentheke in Wien (Foto: Annette Krus-Bonazza)

Umstritten und unverkennbar ist auch das vom Grafiker Josef Binder kreierte und zuletzt (2004) vom italienischen Stardesigner Matteo Thun modernisierte Logo des »Meinl-Mohren«, das von der Initiative »Mein Julius« als rassistisch gebrandmarkt wird. Das von einem roten Fes (orientalische Kopfbedeckung) behütete schwarze Konterfei auf gelbem Grund ziert seit 1924 die Markenprodukte des Traditionsunternehmens Julius Meinl. Dort verkaufte Julius Meinl I. zuerst rohe und schon geröstete Kaffeebohnen, um seit den 1870er Jahren selbst ins »Röstgeschäft« einzusteigen: 1891 eröffnete er die erste Wiener Kaffeerösterei.
Als er sie 1911 vom 7. in den 16. Bezirk Ottakring verlagerte, stand ihm bereits sein Sohn Julius Meinl II. zur Seite. Er baute den 1919 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Familienbetrieb zum größten europäischen Handelsunternehmen auf. 1939 besaß die Firma Meinl, die neben Kaffee nun auch Tee, Spirituosen, Schokolade und Marmelade herstellte, europaweit 1.000 Spezialitätengeschäfte. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfanden Julius Meinl III. und Julius Meinl IV. das auf den österreichischen Markt zurückgeworfene Feinkostimperium wieder neu. Sie belieferten die österreichischen Kaffeehäuser und überzogen das Land mit Feinkostgeschäften, von denen sie sich allerdings anno 2000 trennten. Sie wollten sich wieder aufs Kerngeschäft konzentrieren – den internationalen Kaffeehandel.
Die Julius Meinl AG, die nur noch ihr verführerisches Feinkostkaufhaus am Wiener Kohlmarkt behalten hat, vermarktet ihren Filterkaffee und Espresso heute in mehr als 70 Ländern. Sie produziert ihn im italienischen Vicenza und neben der Firmenzentrale in Ottakring, wo 1971 auch der weltweite Siegeszug von Staud’s Konfitüren begann.


Süß, sauer und süffig – Staud’s Siegeszug

Die süßen Marmeladen und sauer eingelegten Gemüsesorten der Familie Staud werden traditionell in ihrem Pavillon auf dem Brunnenmarkt angeboten und inzwischen nach Deutschland, Russland und Italien, Japan und China, in die Schweiz, USA und Arabischen Emirate exportiert.
In Ottakring wird auch das gleichnamige Bier gebraut. Doch das ist eine andere Wiener Markengeschichte, die ebenfalls vor mehr als 100 Jahren begann …


Wissenswerte Infos:

Bösendorfer – Stadtsalon
Bösendorfer Str. 12 (Eingang Canovagasse),
Mo-Fr 9-18 Uhr

Staud’s Pavillon auf dem Brunnenmarkt
Ecke Brunnengasse/Schellhammergasse,
Di-Sa 8-12.30, Fr 15.30-18 Uhr

Meinl am Graben (Kaufhaus)
Mo-Fr 8-19.30, Sa 9-18 Uhr

Manner-Shop am Stephansplatz
Mo-So 10-21 Uhr

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