Lesezeit: 1 minReportage

Ein Goldschatz, ein Karpatendeutscher und Andy Warhol

Wussten Sie, dass Košice einen der größten Münzschätze Europas besitzt? Was noch spannender ist: Kaschau, wie die zweitgrößte Stadt der Slowakei auf Deutsch genannt wird, darf sich mit Marseille als »Europäische Kulturhauptstadt« 2013 bezeichnen. Eine glückliche Fügung, meint Reisebuchautor André Micklitza, denn endlich rückt die ostslowakische Metropole ins internationale Scheinwerferlicht. Ein kleiner Rundumblick in eine (noch) unbekannte Stadt, die mittelalterliches Flair und moderne Lebensart vereint.

Porträt eines Mannes in Schwarzweißfotografie. Er trägt eine Mütze und blickt freundlich in die Kamera. Das Licht betont seine Gesichtszüge, insbesondere sein Lächeln. Der Hintergrund ist neutral gehalten, um den Fokus auf das Gesicht zu lenken.


»Man kann es nicht essen«, sagen die Spötter. Dennoch ist es in vieler Munde. Seitdem Banken, Währungen und Staaten wackeln, bemerken es viele, und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann brachte es unlängst auf den Punkt: »Banknoten sind bedrucktes Papier, der Euro ist bedruckte Baumwolle«.
Die Kaschauer Stadtväter reiben sich derweil die Hände. So viel Glück auch! Im Jahre 1935 fanden Arbeiter beim Umbau der Finanzbehörde einen der bedeutendsten Schätze des Kontinents. Dukaten, Thaler, Gulden … – über zwanzig verschiedene Währungen, geprägt zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert. 2.920 Münzen, zehn Kilogramm pures Gold.

Majestätische gotische Kathedrale mit filigranen Details und hohen Spitzbögen unter blauem Himmel. Vor dem Gebäude befindet sich ein breiter Platz, auf dem einige Personen zu sehen sind. Die Fassade besteht aus hellem Stein und ist von zahlreichen Türmen und Zinnen gekrönt. Ein Mann in roter Kleidung steht im Vordergrund.
Der Elisabetdom in Kosice ist das größte Gotteshaus der Slowakei. (Foto: André Micklitza)

1992, bei der Renovierung eines Hauses in einer Nachbargemeinde, kamen weitere 62 Dukaten ans Tageslicht. Sogar eine Renaissancekette, über zwei Meter lang und fast 600 Gramm schwer, gehört zur Kollektion des Kaschauer Goldschatzes. Dann, ausgerechnet im Auge des Finanzwirbelsturms von 2008, konnten sich die Kaschauer und ihre Gäste nicht mehr die Nasen an den Vitrinen des Ostslowakischen Museums platt drücken. Im Gegensatz zu den Exponaten bröckelte die bauliche Hülle.
Seitdem wird am und im Gebäude gewerkelt, der Schatz geht derweil auf Reisen. Nach Budapest, Prag, Warschau – und wird zwischengelagert in der Nationalbank von Bratislava. Der Direktor des Ostslowakischen Museums, Robert Pollak, ist zuversichtlich: »Im Sommer kehrt er hoffentlich heim«. Als offizielles Eröffnungsdatum ist der 24. August geplant.


Ein Karpatendeutscher als Bürgermeister

Ein belebter Platz mit einer großen Fontäne im Vordergrund. Im Hintergrund befindet sich ein beeindruckendes, klassizistisches Gebäude mit einer Kuppel. Mehrere Personen spielen und planschen in der Fontäne, während andere den Platz nutzen. Der Himmel ist blau und es scheint sonnig zu sein.
Die Musikwasserspiele vor dem Nationaltheater - Beliebter Treffpunkt der Kulturhauptstadt Europas. (Foto: André Micklitza)

Fortuna hatte ihr Händchen auch 1994 im Spiel. Da wurde Rudolf Schuster, ein tatkräftiger Mann mit deutschen Wurzeln, zum Kaschauer Bürgermeister gewählt. In fünf Jahren ließ er die Altstadt auf Hochglanz polieren. Seitdem schwärmen Einheimische und Besucher von der schönsten Stadt der Slowakei.
Zum Prunkstück geriet ein neuer Treffpunkt, zu dem sich Alt und Jung gleichermaßen hingezogen fühlen: die klingenden Wasserspiele zwischen Urbanturm und Nationaltheater. Im Takt der Melodien heben und senken sich die Fontänen. Kinder und Jugendliche jauchzen an heißen Tagen, wenn sie trotz aller Vorsicht eine Dusche erwischen und platschnass aus dem Brunnen steigen. Die Älteren sitzen derweil im Schatten der Bäume und amüsieren sich am jugendlichen Übermut.
Herausgeputzt hat sich unter Rudolf Schusters Geldsegen auch das Handwerkergässchen (Hrnciarska). Man kann hier ein Schmuckstück reparieren lassen, zusehen wie ein Sattler arbeitet, wie Edelsteine geschliffen, wie Brote und Semmeln oder nebenan Vasen und Töpfe noch von Hand geformt werden.


Pop-Art slowakischer Herkunft

Eine belebte Straße mit historischen Gebäuden unter blauem Himmel. Auf dem Pflasterweg verlaufen mehrere Personen, darunter eine Person in roter Kleidung.  Alte Laternen säumen die Straßenränder. Die Fassaden der Gebäude zeigen klassische architektonische Details und Fensterreihen.
Die Fußgängerzone Hlavná ist gesäumt von vielen historischen Gebäuden. (Foto: André Micklitza)

Im Urbanturm sind außerdem zahlreiche Persönlichkeiten aus der ungarisch-slowakischen Historie »eingezogen«. Allesamt in Lebensgröße aus Wachs. Unter ihnen ist auch Andy Warhol. Nanu? Ein US-Amerikaner in Kaschau?
Was die wenigsten wissen: Die Eltern der Pop-Art-Ikone zogen in den 1920er-Jahren aus einem ostslowakischen Kaff in die Neue Welt. Andy selbst war nie hier, hielt aber Verbindung mit seinen zahlreichen Nichten und Neffen und sandte ab und an einige seiner Werke in die Heimat. Eine Nichte berichtet: »Ich habe aus den bunten Blättern Schiffchen gebaut und sie auf dem Dorfbach schwimmen lassen. Heute wären sie Millionen wert«.
Übrigens: Von Košice ist es nur ein Katzensprung nach Medzilaborce. Dort in der nordöstlichsten Provinz versteckt sich Europas einziges Pop-Art-Museum mit vielen originalen Werken des Meisters Warhol.


Kulturjahr 2013 und Plattenbausiedlungen

Zwei Kinder rennen lachend über eine große Fontäne im Freien. Wasser sprüht aus verschiedenen Düsen, wodurch ein spielerischer Effekt entsteht. Im Hintergrund sind Bäume und Gebäude zu sehen, was auf einen städtischen Kontext hindeutet. Das Bild vermittelt eine fröhliche und sommerliche Atmosphäre.
Willkommene Erfrischung an heißen Sommertagen. (Foto: André Micklitza)

Im Kulturjahr 2013 locken die Veranstalter mit 360 Ereignissen, darunter eine »Nuit blanche« und Avantgardistisches wie die »New dance days« im Oktober sowie die »Welttage der neuen Musik« im November.
Aber auch die Kaschauer in den bislang sterilen Plattenbausiedlungen freut es. Das Projekt »Spots« verwandelte funktionslos gewordene Fernwärme-Verteilerstationen in Miniatur-Kulturzentren: Grellbunt angepinselt, sind sie kleine Veranstaltungsräume für die Einheimischen geworden. »Wir wollen Kultur dezentralisieren, die Bürger unmittelbar beteiligen«, meint Christian Potiron, einer der Macher.
Man darf gespannt sein, wie sich das für Kaschau so besondere Jahr entwickelt.

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