Lesezeit: 1 minWussten Sie, dass ...?

Teil 8: Die fliegenden Juwelen Ecuadors.
Ein Ausflug zu den Kolibris mit Volker Feser.

132 Kolibriarten leben in Ecuador. Darunter befindet sich der kleinste Vogel der Welt, der bis zu 78 Flügelschläge pro Sekunde vollführt. Für diesen Kraftakt wendet er 1.260 Herzschläge pro Minute auf. Die Beliebtheit der »fliegenden Juwelen« ist weit verbreitet, vor allem bei Touristen. Deshalb werden die winzigen Vögel von den Einheimischen systematisch mit Zuckerwasser-Cocktails abhängig gemacht. Das Verheerende daran: Werden die Tränken nur einen Tag lang nicht nachgefüllt, kommt es zu einem Massensterben der Kolibris. Volker Feser widmet sich in unserer »Wussten Sie, dass«-Serie den geflügelten Wahrzeichen seiner Heimat. Das dazu passende Reisebuch ist in 5. Auflage 2010 erschienen.

Porträt eines älteren Mannes in Schwarzweißfotografie. Er trägt eine Brille und lächelt leicht in die Kamera. Das Foto wirkt klassisch und hat einen neutralen Hintergrund. Der Mann scheint freundlich und zugänglich zu sein.


Über 1.600 Vogelarten geben sich in Ecuador ein Stelldichein. Das sind etwa die Hälfte aller in Südamerika und ein Fünftel aller weltweit vorkommenden Arten. Viele davon sind Endemiten, d. h. sie kommen ausschließlich in Ecuador vor. Unter den Endemiten finden sich auch zahlreiche der 132 ecuadorianischen Kolibris, in ganz Amerika gibt es 328 Arten. Wie edelmetallisch glänzende Juwelen stehen sie im Schwirrflug vor den Blüten, den Schnabel tief in die Blüte gesenkt, um Nektar zu saugen. Herrlich sind die rasanten Manöver bei ihren Revierkämpfen. Ist die Blüte leergesaugt, fliegen die Kolibris ein kurzes Stück rückwärts (was sonst kein Vogel kann), um den Schnabel aus dem Blütenkelch zu ziehen. Treffend ist die spanische Bezeichnung »picaflores« (»Blütenstecher«).

Ein Kolibri sitzt auf einem dünnen Ast. Sein Gefieder schimmert in leuchtenden Grüntönen, mit einem langen, blauen Schwanz. Der Hintergrund ist unscharf und besteht aus grünen Blättern und Lichtflecken. Das Bild fängt die filigrane Schönheit des Vogels ein.
Wie edelmetallisch glänzende Juwelen, die Kolibris von Ecuador

Überkörperlang ist der Schnabel des Schwertschnabel-Kolibris (Ensifera ensifera). Mit 2 g Körpergewicht ist der knapp hummelgroße Waldstern-Kolibri (Chaetocercus sp.) der kleinste Vogel der Erde, während der braune Riesen-Kolibri (Patagona gigas) fast die Größe einer Drossel hat. Ihre schillernden Farben werden nicht durch Pigmentierung, sondern durch die Struktur der Federn ausgelöst. Darum erreichen sie ihre volle Farbenpracht nur bei ganz bestimmtem Licht. Die nur in der »Neuen Welt« beheimateten Blütenstecher, im Indianischen auch »Quinde« genannt, leben in allen Klimazonen, von Meereshöhe bis fast hinauf zur Schneegrenze. Die kleinsten Kolibris vollführen bis zu 78 Flügelschläge pro Sekunde und haben bis zu 1.260 Herzschläge pro Minute. Sie können in der Luft stehen bleiben, wie Hubschrauber nach oben, nach unten, seitwärts oder, wie bereits erwähnt, rückwärts fliegen. Nur eines tun sie praktisch nie: auf dem Erdboden landen!


Lustobjekt Kolibri oder Die Sklaven des »Zuckerwasser-Cocktails«

Ein Kolibri sitzt auf einem dünnen Ast. Seine Flügel sind weit ausgebreitet, was einen Eindruck von Bewegung vermittelt. Der Hintergrund ist dunkelgrün und verschwommen, wodurch der Fokus auf dem Vogel liegt. Das Bild fängt die Schönheit und Anmut dieser kleinen Vögel ein.
Akrobatische Einlage

In nahezu allen Nebelwald-Lodges hängen entlang der Pfade und auf den Veranden mit Zuckerwasser gefüllte, knallrote Plastikblumen, so genannte »bebedores«. Fast ständig »stehen« die Kolibris vor den Plastikblüten, um mit ihren langen Schnäbeln das Zuckerwasser herauszusaugen. Für Touristen sind die Kolibri-Tränken ein echter Hit, da sie auf diese Weise kinderleicht zu schönen Fotos der sonst nur schwer zu fotografierenden »Juwelen« kommen. Kaum einer stellt sich dabei die Frage, ob dies den Kolibris selbst zugute kommt.

Die verschiedenen Arten sind durch Schnabelform und Eigenheiten des Flugvermögens in Bezug auf Schnelligkeit und Ausdauer auf das Nektarangebot bestimmter Pflanzen angewiesen. Die Nektarmengen, die die jeweiligen Blüten produzieren, sind sehr unterschiedlich und das Angebot an geeigneten Pflanzen ändert sich in einem Gebiet im Laufe eines Jahres ständig. Zwischen 500 und 2000 Blüten braucht ein einzelner Kolibri, um seinen täglichen Energiebedarf zu decken. Somit sind die Individuenzahlen der picaflores den ständigen Veränderungen in Raum und Zeit unterworfen.

Zwei Kolibris sitzen dicht aneinander auf einem dünnen Ast. Ihre Federn schimmern in Grün, Blau und Schwarz. Die Vögel scheinen sich zu berühren oder zu putzen. Der Hintergrund ist dunkel, was den Fokus auf die kleinen Tiere lenkt.
Kolibris

In den Regen- und Nebelwäldern ist die Vielzahl der Kolibris, die zudem auch in den Kronenbereichen nach Blüten suchen, praktisch nicht zu erheben. In vielen Lodges werden täglich 5-10 kg Zucker, in Wasser gelöst, an die Kolibris »verfüttert«. Das entspricht 1-3 Mio. Blüten, die 500-1500 Kolibris pro Lodge versorgen. Durch diesen geballten »Zuckerwasser-Cocktail« wird nicht nur eine unnatürlich hohe Dichte an Kolibris vorgegaukelt, sondern die Vögel werden auch in eine totale Abhängigkeit gebracht. Würde das Zuckerwasser nur ein einziges Mal an einem einzigen Tag nicht nachgefüllt, würde dies für viele Kolibris den Tod bedeuten. Die kleinen Vögel verfügen über keine ausreichenden Energiereserven, um irgendwo in dem für sie riesigen Waldgebiet noch rechtzeitig eine entsprechende Anzahl Nektar produzierender Blüten zu erreichen. Kolibris saugen ein Mehrfaches ihres Körpergewichtes auf. Wenn der Mensch dies auch täte, bräuchte er im täglichen Vergleich etwa 150 Kilo Nahrung und über 1000 Bierkrüge an Flüssigkeit!

Ein Kolibri sitzt an einem roten Futterspender für Vögel. Der Spender ist zylindrisch mit mehreren kleinen, rot umrandeten Löchern zum Trinken. Im Hintergrund sind verschwommene grüne Blätter zu sehen. Das Bild fängt den Moment ein, in dem der Vogel gerade tränkt.
Kolibri-Tränken für Süßwassersklaven

Wussten Sie außerdem, dass der Cotopaxi der höchste freistehende aktive Vulkan unseres Planeten ist (S. 305), der Panama-Strohhut bereits seit Jahrtausenden ausschließlich aus Ecuador stammt (S. 528), Alexander von Humboldt als der »Wiederentdecker Amerikas« bezeichnet wird (S. 40), die Südflanke des Cayambe, eines Vulkans in den Anden, weltweit den höchsten Punkt auf der Äquatorlinie markiert (S. 263), es in Ecuador über 4.000 verschiedene Schmetterlinge gibt und damit etwa ein Viertel aller weltweit vorkommenden Arten (S. 36) oder der Schatz des letzten Inka-Sonnenkönigs Atahualpa noch irgendwo in den Llanganates Bergen von Ecuador versteckt liegen muss (S. 336)?


Antworten und jede Menge reisepraktische Tipps finden Sie im Reiseführer »Ecuador« von Volker Feser.

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