Aufgewachsen in West-Berlin vor dem Mauerfall, war ich in jungen Jahren eine waschechte und stolze Großstadtpflanze. An Individualität, Charme und kreativer Kunstszene konnten es nur wenige andere Städte mit Berlin aufnehmen. New York stand v. a. im Ruf, verrucht, verrückt und gefährlich zu sein, von dort kamen die Trends, die Musik und die Subkultur, von der ich ein Teil sein wollte.So fuhr ich hin - und war angekommen. Alles war viel größer als im behaglichen Berlin und fremd, und doch fühlte ich mich dazugehörig. Zu dieser Zeit - Ende der 80er-Jahre - war der Times Square noch Unterwelt und Drogenumschlagplatz, Harlem Sperrzone für Weiße, der Central Park lebensgefährlich und das MoMA ein echter Geheimtipp.Wenig störte mich das schäbige Zimmer mit Gemeinschaftstoilette und Kakerlakeninvasion: wie cool! Schlaf brauchte ich nicht viel, wie gut!, hielt mich doch die knallende Dampfheizung unfreiwillig wach. Erstmals aß ich rohen Sushi-Fisch, wie exotisch!, und kopierte die Tanzschritte halb bekleideter Vortänzerinnen, wie awsome! Alles an New York war wow.Wow ist die Stadt bis heute, nur sind wir gemeinsam erwachsen geworden. Ich kann jetzt kakerlakenfrei nächtigen, die Lichter des Times Square unbehelligt bewundern und im Central Park gefahrenfrei spazieren gehen. Doch gibt es immer noch genug Abseitiges zu entdecken, man muss nur hinschauen!