Reisereportage

»Das Jahr des Konjunktivs.«

In unseren Reiseführern beschönigen wir nichts. So auch nicht in dieser Reportage. Es war und ist eine anstrengende, aufreibende Zeit für Reisejournalisten. Heute erzählen Michael Bussmann und Gabriele Tröger, die auch Bücher zu Berlin und Potsdam geschrieben haben, von ihrem 2020er-Jahr: davon, was sie eigentlich vorhatten – und wo sie gelandet sind.  

Eigentlich, eigentlich, eigentlich. Sicher hatten auch Sie eigentlich andere Pläne für 2020. Wären irgendwo anders hingereist als dahin, wo Sie letztendlich gelandet sind. Oder? Uns ging es auf jeden Fall so im Jahr 2020, dem Jahr des Konjunktivs.
Wo wir eigentlich gewesen wären, eigentlich recherchiert hätten, erzählen wir hier nicht. Das ist mühselig und macht traurig. Aber wir waren unterwegs. Und gar nicht mal so wenig. Beruflich wie privat.

Ein Sommer der Freiheiten

Michael Bussmann und Gabriele Tröger während einer Sommerrecherche in Prag (Foto: Michael Bussmann und Gabriele Tröger)
Michael Bussmann und Gabriele Tröger während einer Sommerrecherche in Prag (Foto: Michael Bussmann und Gabriele Tröger)

Zweimal waren wir 2020 an der Moldau zur Recherche für die Neuauflage unseres Pragtitels. Im März und im Juli. Unser Instagram-Post vom 1. März 2020 ist mit folgenden Sätzen untertitelt: »Tschechien, die bisherige Insel der Seligen, ist keine mehr. Seit heute gibt es drei Corona-Fälle.« Drei! Zehn Tage später war Tschechien im Lockdown: alles dicht, selbst die Grenzen, Maskenpflicht drinnen wie draußen.
Dem harten Lockdown folgte ein tschechischer Sommer der Freiheiten. Wir staunten nicht schlecht, als wir im Juli wieder vor Ort waren, um unsere Recherchen abzuschließen. Die Kneipen waren voll, in Clubs wurde getanzt, in den Straßenbahnen Gedränge. Ohne Maske.
Die Folgen dieser chaotischen Ganz-oder-gar-nicht-Politik der tschechischen Regierung kennt jeder. Ein Drama, was sich in unserem kleinen Nachbarland gerade abspielt. Und unsere Buchverkaufszahlen – auch ein Drama.

Zwei ungeplante Roadtrips

Mit einem Michael-Müller-Buch unterwegs, das sie ausnahmsweise mal nicht selbst geschrieben haben … (Foto: Michael Bussmann und Gabriele Tröger)
Mit einem Michael-Müller-Buch unterwegs, das sie ausnahmsweise mal nicht selbst geschrieben haben … (Foto: Michael Bussmann und Gabriele Tröger)

Doch wo sich Türen schließen, öffnen sich andere. Als krisenerprobte Reisebuchautoren (wir sagen nur: Türkei!) erleben wir das nicht zum ersten Mal … 
Die bekannten Lichtlein von irgendwoher kamen in Form von neuen Deutschland-Projekten. Deutschland heißt das neue Abenteuer. So streiften wir im Spätsommer ausgiebigst durch Ostdeutschland, radelten an der Oder und Elbe entlang, wanderten mit Alpakas durch den Wald und schliefen unterm Sternenhimmel.
Aufgeschrieben haben wir das Ganze später mit Blick aufs Meer, während uns die Oliven auf den Kopf fielen. Als wir Anfang Oktober in unseren Van stiegen und mit der Fähre nach Griechenland fuhren, riefen die Unken laut: »Ihr traut Euch aber was!« Bis Mitte November roadtripten wir über den Peloponnes. Dass wir auch dort auf viele »Eigentlich«-Menschen trafen, können Sie sich vorstellen. Eigentlich in Peru, eigentlich auf Tasmanien, eigentlich in Zentralasien. Stattdessen: Sabbatical in Griechenland. Gibt Schlimmeres.

Kreuzberger Kalender und ein neuer Auftrag

Von der Sonne der Ägäis ging es zurück nach Berlin und dort erst mal direkt in die Quarantäne. Seitdem sitzen wir da. In unserem sonst so grellen, lauten Kreuzberg, das nicht mehr das alte ist. Unser Kalender sieht gerade so aus wie all die Kinos, Theater und Restaurants: leer. Normalerweise schmücken ihn kunterbunte Markerbalken. Dort eine Recherche, da eine Reise, hier eine Party. Und nun: zwei Arzttermine und mittlerweile tatsächlich auch ein Friseurtermin.
Trotzdem wollen wir uns nicht unterkriegen lassen. Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken, haben wir nicht. Mit den weißen Flöckchen der letzten Wochen kam ein neuer Auftrag hereingeschneit, der zwar nur bedingt mit Reiseführern zu tun hat, aber doch viel Freude macht.

Startlöcher

So hangeln wir uns durch diese anstrengende Zeit. Hegen und pflegen unser Fernweh und warten auf den Tag, an dem wir wieder losstarten dürfen – auf eine Recherche oder in ein anderes spannendes Reiseabenteuer. Wir stehen in den Startlöchern. Eigentlich.

P.S. Bis es soweit ist, kann man sich das Fernweh nach Hause holen, auf dem launigen Reiseblog von Michael Bussmann und Gabriele Tröger: Hier Da Dort.

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