Reportage

Von gepanschtem Raki und philosophischen Tischgesprächen

Ein Artikel von Michael Bussmann und Gabi Tröger, den Autoren unseres Reiseführers »Türkei – Lykische Küste« (3. Auflage). In unserer April-Ausgabe des Newsletters beschäftigen sie sich mit der uralten Tradition des Raki-Trinkens, die zwischenzeitlich sogar Vorkoster nötig hatte …


Dieses Mal ging es nicht um Menschenrechtsverletzungen oder Korruption. Der letzte Skandal des Landes erschütterte die – und davon gibt es mehr, als man denkt – trinkfreudigen Türken in ihren Grundfesten: gepanschter Raki! Mit kaum einem anderen Getränk, Tee einmal ausgenommen, wird die Türkei mehr in Verbindung gebracht als mit Raki, dem 45-prozentigen Anisschnaps, der geschmacklich dem griechischen Ouzo ähnelt. Mit Wasser verdünnt, erhält er eine milchig-trübe Färbung und wird nicht zuletzt deswegen auch »Löwenmilch« genannt. Raki gilt als Magenelixier und Heilmittelchen gegen alle möglichen Beschwerden. Normalerweise. 25 Todesopfer beklagte die Türkei im Spätwinter durch gepanschten Anisschnaps, der mit gestohlenen Etiketten der angesehenen Marke »Yeni Raki« versehen wurde.

Fünf Millionen Flaschen Raki im Wert von rund 15 Millionen Euro wurden daher zur Sicherheit der Konsumenten aus dem Handel gezogen und vernichtet – unter den schadenfrohen Augen der Strenggläubigen. In den Meyhanes, wie die fröhlich-lauten Rakirestaurants genannt werden, setzte man hie und da sogar Vorkoster ein, die noch vor den Gästen den ersten Schluck aus jeder neu geöffneten Flasche nahmen. Anhand neuer Verschlüsse will man verhindern, dass kein alter gepanschter Raki mehr in die Regale gelangt, und so das Verbrauchervertrauen zurückgewinnen. Bei Ihrem Urlaub an der Lykischen Küste dürfte es also kein Problem mehr sein, in die türkische Rakikultur einzutauchen!

Als Aperitiv oder Degustiv wird Raki nur von unwissenden Touristen getrunken. Raki, der gleichzeitig für Fröhlichkeit, Unterhaltung und gutes Essen steht, begleitet in der Regel den ganzen Abend, abgelöscht mit viel, viel Wasser. Das Schöne daran: Man genießt ihn nie allein, sondern stets in geselliger Runde. Diese Tischpartys, »Raki sofrasi« (»Raki-Tafel«) genannt, enden oft erst im Morgengrauen. Nüchtern verlässt sie niemand, der gemeinsame Rausch ist jedoch nicht das Ziel. Vielmehr steht ein unterhaltsames Gespräch, die sog. »Raki muhabeti«, im Vordergrund. Und natürlich das Essen: diverse Vorspeisen (ein Muss zum Raki ist Melone mit Schafskäse!) und zum Hauptgericht meist Fisch (Blaubarsch z. B. harmoniert hervorragend mit dem Anisschnaps).

Der Raki – besonders guter sollte einen Film am Glasrand ziehen – wird dazu in kleinen Schlückchen genossen, und zwar, mit Eis und Wasser verdünnt, aus schmalen, hohen 0,2-Liter-Gläsern. Die Runde schenkt sich immer erst dann nach, wenn – und das ist oberstes Gebot – der Letzte sein Glas geleert hat.
Übrigens hat die Raki-Tafel eine Jahrhunderte alte Tradition. Schon die Mönche des islamischen Mystikerordens der »Bektasi« versuchten, gemeinsame Gebete mit gutem Essen, Musik, philosophischen Gesprächen und eben Raki zu verbinden. Sollten Sie also die Gelegenheit haben, bei einer landestypischen Raki-Tafel dabei zu sein, befinden Sie sich nicht nur in bester Gesellschaft, sondern erleben mit Sicherheit auch einen – wie auch immer gearteten – beschwingten Abend.


Weitere Informationen:

Raki trinken und dazu köstlich dinieren können Sie an der türkischen Küste zwischen Antalya und Datca zum Beispiel in folgenden Lokalen:

Kismet Balik Sofrasi, Cebesoy Cad., Antalya. Tel. 0242/3223322
Agora Meyhanesi, Ugur Mumcu Parki, Fethiye, Tel. 0252/6148021
Fevzi’nin Yeri, Ambarci Cad., Datca, Tel. 0252/7129746

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