Reportage

5 EM-Städte im Überblick
Die besten Tipps für EM- und andere Reisende

Ein kleines EM-Special soll es auch in unserem Newsletter geben. Wer in diesen oder den nächsten Tagen in Frankreich unterwegs ist, bekommt von Frankreich-Kenner Ralf Nestmeyer astreine Tipps zu den fünf wichtigsten EM-Städten: darunter viele Möglichkeiten für kostenlose und kostengünstige Erlebnisse. Dabei versteht es sich von selbst, dass sämtliche der Ideen auch für diejenigen spannend sind, die mit Fußball gar nichts am Hut haben.


Paris

Paris oder Die Liegestühle am Seinekai warten schon (Foto: Ralf Nestmeyer)
Paris oder Die Liegestühle am Seinekai warten schon (Foto: Ralf Nestmeyer)

Die tollsten Blicke auf Paris sind kostenlos! Statt sich vor dem Eiffelturm oder dem Tour Montparnasse in die Schlange zu stellen, gibt es bessere und kostenlose Möglichkeiten: Eine phantastische Aussicht hat man im Pariser Norden von den Stufen der Basilika Sacré-Coeur auf der Butte Montmartre sowie von der Aussichtsterrasse des berühmten Konsumtempels Le Printemps am Boulevard Haussmann. Absolut lohnend, aber eher unbekannt, ist die Dachterrasse des Institut du Monde Arabe im 5. Arrondissement, von der sich ein Panoramablick auf die Seine und den Chor von Notre-Dame eröffnet.
Abends kann man ein teures Kabarett besuchen oder im Jardin Tino Rossi selbst das Tanzbein schwingen. Jeden Abend von Anfang Juni bis Ende August treffen sich Dutzende von Tanzwütigen am Quai Saint-Bernard, um hier in Sichtweite von Notre-Dame zu feiern. Oder wie wäre es mit einer Partie Boule? Diesem Vergnügen kann man ganz generell im Jardin des Tuileries nachgehen, doch wohin, wenn es dunkel wird? Dann geht man im Szeneviertel rund um die Rue Oberkampf ins Les Niçois. Im Keller der Kneipe gibt es eine Sandbahn, auf der man Pétanque spielen kann, wie die Südfranzosen die besagte Kugelsportart bezeichnen. Und wer hinterher noch Lust auf ein deutsches Bier hat, zieht ins Udo. Dort stehen nicht nur Kölsch, Paulaner Hefe-Weizen oder Jägermeister auf der Karte, sondern auch eine echte Currywurst für sehr bezahlbare 4,50 €.
Wer neben Fußball und Nachtleben auch Interesse an Kultur hat, kann sich darüber freuen, dass es in Paris jede Menge Museen gibt, für die man keinen Eintritt zahlen muss, darunter das sehr informative Stadtmuseum Musée Carnavalet oder das Musée de la Vie romantique, das sich der Romantik als bürgerlicher Lebensform widmet und einen idyllisch-verspielten Garten hat. Zudem gewähren die staatlichen Museen in Frankreich allen EU-Bürgern unter 25 Jahren freien Eintritt. Alle anderen kommen jeden ersten Sonntag im Monat in den Genuss, keinen Eintritt zahlen zu müssen, allerdings bilden sich dann oft lange Schlangen vor den Museumspforten.


Marseille

Marseille oder Zum Château d’If geht es mit dem Schiff (Foto: Ralf Nestmeyer)
Marseille oder Zum Château d’If geht es mit dem Schiff (Foto: Ralf Nestmeyer)

Die Mittelmeermetropole Marseille ist eine Stadt zum Eintauchen, zum Erleben; trotzdem sollte man sich auch hier einen ersten Überblick verschaffen. Die Aussicht von der Terrasse der neubyzantinischen Wallfahrtskirche Notre-Dame-de-la-Garde reicht über den Alten Hafen bis zum Château d’If und den Îles du Frioul hinüber (Buslinie 60 vom Vieux-Port). Eindrucksvoll ist außerdem das Szenario von der frei zugänglichen Dachterrasse der von Le Corbusier entworfenen Cité Radieuse, die zu den Klassikern der modernen Architektur gehört (Métro 2 bis Métro-Station Round-Point-du-Prado und anschließend Buslinie 21): Von dort hat man einen weiten Blick über Marseilles Dächerlandschaft.
Nur einen Steinwurf weit von der frühchristlichen Abbaye St. Victor entfernt, ist das Café de l’Abbaye vor allem abends ein beliebter Treffpunkt für Einheimische. Mittags werden in dieser Café-Bar kleine Gerichte für rund 10 € serviert. An sonnigen Tagen bekommt man allerdings oft nur schwer einen Platz auf der Straßenterrasse.
Wer keine Lust mehr auf Großstadt hat, kann von der Métrostation Castellane mit dem Bus 21 zur Endhaltestelle (Universität Luminy) fahren und von dort in einer halben Stunde zur Calanque de Morgiou laufen, deren herrliches glasklar-türkises Wasser zum Baden und Schnorcheln einlädt. Weiter in Richtung Osten lässt sich auf dem weiß-rot-markierten Fernwanderweg GR 98 an mehreren der tief eingeschnittenen Buchten vorbei bis zum traumhaften Fischerstädtchen Cassis wandern. Dort kann man in einer der Bars und Cafés direkt am Hafenkai frische Austern essen oder einen Pastis trinken. Dann geht es zurück mit dem Bus 102 oder der Bahn.


Nizza

Nizza oder Die Hotellegende Negresco (Foto: Ralf Nestmeyer)
Nizza oder Die Hotellegende Negresco (Foto: Ralf Nestmeyer)

Fußball hin, EM her: Nizza ist der traditionsreichste Küstenbadeort Europas. Obwohl die englischen Adeligen die Côte d’Azur bereits im 18. Jahrhundert für sich entdeckten, ist die Faszination der pulsierenden Großstadt mit ihrer weltberühmten Promenade des Anglais bis heute ungebrochen. Einen Panoramablick auf den Hafen oder die Altstadt (Vieux-Nice) mit ihren orange-farbenen Dächern hat man in der Gartenanlage auf dem Burgberg von der Terrasse Frédéric Nietzsche aus – und dieser ist sicher den kurzen, schweißtreibenden Aufstieg wert. An dem herrlichen kilometerlangen Kiesstrand, der frei zugänglich und (fast) nicht von Badeanstalten okkupiert ist, treffen sich die Touristen und EM-Fans ebenso wie die Einheimischen, die hier nach Feierabend oder am Wochenende im Meer baden oder einfach in der Sonne liegen.
Doch Nizza hat nicht nur einen endlosen Strand und eine schmucke Altstadt zu bieten, sondern viel Kultur: Abgesehen von Paris, besitzt keine andere französische Stadt mehr Museen als Nizza, herausragend sind das Musée Matisse und das Musée Chagall, die zwei der bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts gewidmet sind.
Am 21. Juni geht es in Nizza übrigens hoch her. Wie in allen anderen EM-Städten findet in dieser Nacht die Fête de la Musique statt. Überall auf den Straßen und Plätzen gibt es bis tief in die Nacht kostenlose Musikkonzerte von engagierten Amateurbands und Solisten.


Lyon

Lyon oder In der Altstadt von Lyon locken zahlreiche Lokale (Foto: Ralf Nestmeyer)
Lyon oder In der Altstadt von Lyon locken zahlreiche Lokale (Foto: Ralf Nestmeyer)

Lyon gilt als die "Welthauptstadt« der Gastronomie, aber es muss nicht immer Paul Bocuse sein. Ein Besuch der Markthallen (Les Halles de Lyon) gehört in Lyon zweifellos zum morgendlichen Pflichtprogramm und lässt einem schnell das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sehr ansprechend ist aber auch der Marché de la Croix-Rousse (tgl. außer Mo, Sa auch ein Biomarkt) auf der Place und dem Boulevard de la Croix-Rousse. Und wenn der Magen knurrt? Folgt man den Einheimischen in einen der so genannte Bouchons. In diesen einfachen Kneipen lässt es sich so vorzüglich wie günstig tafeln. Als einer der beliebtesten Lyoner Bouchons gilt das in der Altstadt gelegene Restaurant Au Petit Bouchon »Chez Georges«. Für 19 € kann man sich dort an einem dreigängigen Menü erfreuen, das bodenständige Kost wie Kalbsnieren mit Senfsauce oder gratinierte Kutteln bietet.
Doch Lyon will auch erkundet werden: Die einzigartige Renaissance-Altstadt, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde, ist bekannt für ihre schmalen Traboules. Trabou… was? Damit ist ein verstecktes Gewirr von Gängen und Stiegen gemeint, die Haus mit Haus, Hinterhof mit Hinterhof und Gasse mit Gasse verbinden. Sie ermöglichten ehedem den Webern, ihre kostbaren Produkte zu transportieren, ohne den Unbilden des Wetters ausgesetzt zu sein. Eine besonders lange Traboule erstreckt sich von der Hausnummer 54 in der Rue Saint-Jean bis zur Hausnummer 27 in der Rue du Boeuf quer durch die Altstadt. Während der Weberunruhen in den Dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts dienten die Traboules als Fluchtwege; im Zweiten Weltkrieg bedienten sich ihrer dann die Kämpfer der Résistance. Ganz neu ist hingegen das Ende 2014 am Zusammenfluss der Flüsse Rhone und Saône eröffnete Wissenschaftsmuseum Musée des Confluences. Das von der Wiener Architektengruppe »Coop Himmelb(l)au« entworfene Museum widmet sich auf faszinierende Weise einem ganzen Mix aus Wissenschaftsdisziplinen, angefangen von der Kosmologie und Mineralogie über die Archäologie bis hin zur Biologie und Ethnologie.


Toulouse

Toulouse oder Bei Sonnenuntergang leuchtet das Ufer der Garonne (Foto: Ralf Nestmeyer)
Toulouse oder Bei Sonnenuntergang leuchtet das Ufer der Garonne (Foto: Ralf Nestmeyer)

Die an der Garonne gelegene Stadt mit ihren rosarot-glänzenden Backsteinfassaden wird von den Franzosen auch liebevoll als »Ville rose« gerühmt. Toulouse ist nicht nur die viertgrößte französische Stadt, sondern besitzt auch eine lebendige Universität, an der rund 90.000 Studierende eingeschrieben sind. Ein Umstand, der sich vor allem im Nachtleben bemerkbar macht. Die Studenten treffen sich in günstigen Restaurants wie dem Le Nez Rouge oder in Kneipen und Bars wie im Fat Cat oder Kraken Paradise. Man kann sich aber auch einfach mit einer Flasche Wein an das Ufer oder auf die Kaimauern der Garonne setzen.
Toulouse ist brettflach, so dass sich die Stadt einfach mit dem Fahrrad erkunden lässt. Überall in der Stadt finden sich die rund 250 Leihstationen von VélôToulouse, deren Räder man an dem auffälligen roten Schutzblech erkennen kann. Günstig und unkompliziert kann man sich mit einer Kreditkarte eines von insgesamt 2600 Fahrrädern ausleihen. Die erste halbe Stunde ist sogar gratis! Dieses einfache Fahrradleihsystem findet sich auch in fast allen anderen EM-Städten.
Toulouse ist das europäische Zentrum der Luft- und Raumfahrttechnik. Die legendäre Concorde sowie mehrere Airbus-Typen und die Trägerrakete Ariane wurden in Toulouse gebaut. Touristisch spiegelt sich dies in der Cité de l’Espace, einem Weltraumpark vor den Toren der Stadt wider. Anhand von interaktiven Modellen wird der Aufbau des Universums erklärt, originale wie maßstabsgetreue Nachbildungen von Raumschiffen (Mir), Wetterstationen und Versuchseinrichtungen demonstrieren die verschiedenen Aspekte der Weltraumfahrt. Im Musée Aeroscopia sind zahlreiche historische Flugzeuge ausgestellt, darunter auch eine Concorde.

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