Top Ten

Teil 1: Südfrankreich
oder Wo ein Postbote den Surrealismus beeinflusste.

»Südfrankreich« heißt einer der Reiseführer von Ralf Nestmeyer, der 2015 in Neuauflage erschienen ist. Für unseren Newsletter hat der renommierte Reisebuchautor seine südfranzösischen Lieblingsorte verraten. Besuchen Sie mit ihm einen surrealistischen Sehnsuchtstempel und unternehmen Sie eine Kanutour zwischen hohen Felswänden. Nebenbei erzählt Nestmeyer von einem liebevoll geführten Restaurant von 1926, einer Altstadt, der schon Camus verfallen war, einer Herberge mit eigener Währung und einem Strand, dessen türkis schimmerndes Meer verführt.


Südfrankreich – Ralf Nestmeyers Top Ten

Essen & Trinken: Chez Palmyre

Ein Geheimtipp mit Wohnzimmeratmosphäre, das Chez Palmyre von 1926 (Foto: Ralf Nestmeyer)
Ein Geheimtipp mit Wohnzimmeratmosphäre, das Chez Palmyre von 1926 (Foto: Ralf Nestmeyer)

Gerade einmal sechs Vierer-Tische besitzt dieses liebevoll geführte Restaurant in der Altstadt von Nizza, Wohnzimmeratmosphäre inklusive. Man hat den Eindruck, dass sich seit der Eröffnung im Jahre 1926 nicht viel verändert hat, obwohl es seit 2010 unter neuer Leitung steht; die einstige Besitzerin, die das Restaurant von ihrer Mutter Palmyre übernommen hatte, musste sich aus Altersgründen zurückziehen. Die neuen Besitzer Vincent Verneveaux und Philippe Terranova haben es sich zum Credo gemacht, das Restaurant in ihrem Sinne weiterzuführen.
Es steht nur ein 3-Gang-Menü zu 17 € auf der Karte, pro Gang kann man aber zwischen drei oder vier Gerichten wählen. Logischerweise darf hier keine Gourmetküche erwartet werden, serviert wird solide Hausmannskost, die allerdings nicht ohne Raffinesse ist. Sehr lecker waren der Weiße-Bohnen-Salat (Salade de Coco) mit einen weichgekochten Ei und die anschließende Morue à la provençale (Stockfisch). Verführerisch günstig sind auch die Weinpreise: Ein Viertelliter Tischwein kostet nur 4 €, der halbe offene Liter trinkfreudige 6 €. Reservierung ratsam. Sa und So Ruhetag. 5, rue Droite, Tel. 0033/0493857232.


Übernachten: Le R.I.F.

Das von dem sympathischen Gregori betriebene R.I.F. (die Abkürzung steht für République Indépendante de Figuerolles) in La Ciotat ist eine traumhafte, fast paradiesische Herberge in einer kleinen, von steil aufragenden Felswänden eingerahmten Bucht. Als unabhängige »Republik« besitzt das R.I.F. selbstverständlich eine eigene Währung und eine eigene Zeit, die eine Stunde hinter der französischen läuft …
Unter einem strohgedeckten Dach kann man tagsüber eine Kleinigkeit zu sich nehmen und dabei auf das Meer hinunterblicken. Abends ist dann Restaurantbetrieb, wobei Liebhaber der mediterranen Küche auf ihre Kosten kommen. Eine Reservierung empfiehlt sich.
Das R.I.F. liegt in der Calanque de Figuerolles, 1 km westlich des Hafens von La Ciotat, Tel. 0033/0442084171, www.figuerolles.com.
Extras: kostenloses WLAN, Kajakvermietung. Von Mai bis Okt. geöffnet, im Winter nur Do-So. Die drei einfachen, aber sauberen Zimmer mit Dusche und Terrasse kosten 37-100 €, die um einen idyllischen Garten gruppierten »Bungalows« ab 135 € (mit Kochmöglichkeiten); Frühstück 10 €.


Traumdorf: Cordes-sur-Ciel

Allein der Fußweg vom Tal bis hinauf zur mittelalterlichen Altstadt ist faszinierend. Durch die mehr oder minder gut erhaltenen Reste von vier Stadtmauern geht es auf Kopfsteinpflaster empor bis zum historischen Zentrum samt steinerner Markthalle und gotischen Patrizierhäusern.
Schon Albert Camus verfiel der Magie des von 964 Menschen bewohnten Ortes: »Der Reisende, der von Cordes aus eine Sommernacht betrachtet, weiß, dass er nicht mehr weiter suchen muss, und, falls er es zulässt, ihn die Schönheit der Landschaft Tag für Tag aus seiner Einsamkeit reißen wird.« www.cordessurciel.fr

Lion Feuchtwanger und Max Ernst waren in Les Milles gefangen (Foto: Ralf Nestmeyer)
Lion Feuchtwanger und Max Ernst waren in Les Milles gefangen (Foto: Ralf Nestmeyer)


Museum: Mémorial National des Milles

Das ehemalige Internierungslager von Les Milles – zwischen 1939 bis 1943 waren zeitweise bis zu 3.000 Menschen hinter Stacheldrahtzäunen eingepfercht – wurde vor ein paar Jahren zu einer mehr als eindrucksvollen Gedenkstätte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf einem rund zweistündigen Parcours taucht man tief in die Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs ein, als hier deutsche Künstler und Intellektuelle wie Lion Feuchtwanger, Franz Hessel, Alfred Kantorowicz und Max Ernst arretiert waren.
Tägl. 10-19 Uhr. Eintritt 9,50 €, erm. 7,50 €. www.campdesmilles.org



Skurril: Palais Idéal

Zwischen 1879 und 1912 errichtete Ferdinand Cheval in Hauterives mit eigener Hand und einzig und allein aus Fundmaterialien einen phantastischen Komplex.
Cheval, der als Landbriefträger täglich die 32 Kilometer lange Strecke nach Tersanne und zurück zu Fuß bewältigen musste, fing irgendwann an, auffällige Steine, Muscheln und Versteinerungen, die er am Wegesrand fand, aufzusammeln und nach Hause zu tragen. Im heimatlichen Hauterives angekommen, schuf sich der Exzentriker, der zeitlebens seine Heimatregion nicht verlassen hatte, mit dem Palais Idéal einen Sehnsuchtstempel, in dem er eine phantastische Illusionsarchitektur mit indischen, mexikanischen und amerikanischen Einflüssen samt verschlungenen Gängen und Grabkammern entwarf.
Obwohl die meisten Architekten das Bauwerk als seltsame Grille abtaten, zeigten sich der Surrealist André Breton und sogar Friedensreich Hundertwasser stark beeindruckt; mehr als 100.000 Besucher verzeichnet das Palais jedes Jahr.
Tägl. 9.30-18.30 Uhr, Juli und Aug. bis 19 Uhr, im Winter bis 17.30 Uhr. Eintritt 6,50 €, erm. 5,50 €. www.facteurcheval.com



Baden: Gorges du Verdouble

Der Verdouble bietet die schönsten Bademöglichkeiten im Anayrac-Massiv (Foto: Ralf Nestmeyer)
Der Verdouble bietet die schönsten Bademöglichkeiten im Anayrac-Massiv (Foto: Ralf Nestmeyer)

Inmitten des Anayrac-Massivs im Département Aude hat sich der Verdouble einen traumhaften Flusslauf gegraben. Seine Wasserfälle und Becken zählen zu den schönsten Bademöglichkeit, die die Region zu bieten hat.
Direkt hinter der verfallenen Mühle von Ribaute führt ein Weg in wenigen Minuten zu den Felsbecken mit ihrem glasklaren Wasser – ein Anblick, der geradezu paradiesisch anmutet.



Bergtour: Massif de la Sainte-Baume

Den Mont Ventoux kennen die meisten Reisenden. Das nur ein paar Kilometer von der Küste entfernte Massif de la Sainte-Baume ist hingegen eher unbekannt. Und dass, obwohl sogar Maria Magdalena ihre letzten 30 Lebensjahre in einer Grotte an der Nordflanke des Bergzugs verbracht haben soll …
Der kurze, aber steile Weg hinauf zur Grotte und weiter bis zum Gipfel ist schweißtreibend, aber man wird mit einer herrlichen Fernsicht bis zum Meer belohnt.


Unterwegs: Kanutour auf der Ardéche

Startpunkt einer 32 Flusskilometer langen Kanutour zwischen hohen Felswänden (Foto: Ralf Nestmeyer)
Startpunkt einer 32 Flusskilometer langen Kanutour zwischen hohen Felswänden (Foto: Ralf Nestmeyer)

Eine Kanutour auf der Ardéche ist sicher kein Geheimtipp, aber eine Kanufahrt durch die Gorges de l’Ardèche gehört noch immer zu den beieindruckendsten sportlichen Herausforderungen eines Südfrankreichurlaubs. Durch den steinernen Pont d’Arc hindurch warten 32 Flusskilometer, eingerahmt zwischen hohen Felswänden und mit viel Platz zum Baden!
Es gibt am Oberlauf der Gorges de l’Ardèche mehr als zwanzig Kanu- und Kajakverleiher, die sich in Preis und Leistung nicht unterscheiden – Billiganbieter sind unbeliebt – und beim Rücktransport nach Vallon-Pont-d’Arc sogar zusammenarbeiten. Als Alternative kann man auch bei einem der rund zehn Kanuverleiher in Saint-Martin-d’Ardèche ein Boot leihen. Dies hat den Vorteil, dass die Tour wieder am Ausgangsort endet, wo das eigene Auto wartet.


Kloster: Abbaye de Saint-Martin-du-Canigou

Es gibt zahllose traumhafte Klöster in Südfrankreich, so beispielsweise die drei provenzalischen Zisterzienserklöster Sénanque, Silvacane und Le Thoronet. Absolut beeindruckend ist aber auch die Abbaye de Saint-Martin-du-Canigou in den Pyrenäen. Wie ein Adlerhorst thront das Kloster auf einem kleinen Ausläufer des Canigou-Massivs. Kein anderes Kloster in Südfrankreich verfügt über eine ähnlich weltentrückte Lage und verbreitet eine vergleichbare meditative Stimmung. Im Kreuzgang scheint man über allem Irdischen zu schweben.
Das Kloster erreicht man nach einem halbstündigen Aufstieg, der in dem Dorf Casteil beginnt.
Juni bis Sept. tägl. 10, 11 und 12 Uhr (So nicht um 11 Uhr), 14, 15, 16 und 17 Uhr. Von Mitte Sept. bis Mitte Juni tägl. zu den gleichen Uhrzeiten, nur die Führungen um 12 und um 17 Uhr entfallen. Von Okt. bis Ostern Mo geschl. Eintritt 6 €, erm. 4 oder 2 €. stmartinducanigou.org


Strand: Plage Mala

Unweit des Spieler- und Hochhausparadieses Monaco gibt es am Cap d’Ail eine kleine herrliche Badebucht.
Die von Felsklippen eingerahmte Plage Mala mit ihrem glasklaren, türkis schimmernden Wasser ist eine wahre Sommeridylle mit tollen Tauchmöglichkeiten; zudem kann man sich in zwei strandnahen Restaurants mit fangfrischen Fischgerichten verwöhnen lassen, z. B. im La Réserve. www.capresort.com

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